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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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Arm neben sich. Frau Martha sah von seinem Gesicht zu dem Jungen auf der Wiese. Sie sah, wie sich beider Blicke trafen und aufleuchteten. Dieser geheime Jubel, diese Ähnlichkeit in den so verschiedenen Zügen, die knisternd freudige Erregung in einem so gefährlichen Moment — sie verstand es nicht. Die beiden waren ihr fremd. Sie wußte nichts von ihnen. Es verschlug ihr den Atem: Josef, ihr Mann, sollte ihr fremd sein? Pah, das war lächerlich, sie kannte ihn nur allzu gut.
    Hubert glitt näher an den Esel heran. Ein Schritt und noch einer, kürzer, noch vorsichtiger. Ephraim war wieder zu einem Mal haßerfüllter Furcht erstarrt. Mit gespannten Muskeln stand er da, den schweren Kopf hochgerichtet und etwas zurückgelegt, aus schmalen, schreckgejagten Augen böse jede winzige Bewegung des Jungen verfolgend. Seine Flanken pumpten. Huberts Zunge schob sich aus dem Mund, fuhr mit kaum merklicher Bewegung über die trockenen Lippen. Er schluckte. An der Nase entlang lief der Schweiß in die Mundwinkel. Jäh fühlte er im linken Arm den Schmerz des Bisses wieder aufbrennen, fühlte die Angst stärker hochzucken.
    So unsichtbar das Zusammenfahren gewesen war: Ephraim hatte es gesehen. Langsam wölbten die Lippen sich hoch, legten die gelben Hauer frei. Ein Schnauben, aus Furcht und Drohung gemischt, quoll daraus hervor.
    Hubert sah aus den Augenwinkeln noch einmal zu Don Chaussee hin. Wieder entdeckte er keinen Vorwurf, keinen Zorn, nur funkelnde Erwartung. Er glaubte also, daß er es schaffte! Es erleichterte ihn seltsam. Der kalte Schweiß auf seinem Rücken war nicht mehr beängstigend; er kühlte und tat wohl. Das Prickeln der Wunden an Arm und Bein spornte ihn an. Sein Plan war gut; wenn er aufpaßte, konnte er gar nicht fehlschlagen. Und — Don Chaussee glaubte an ihn.
    Schritt um Schritt. Immer die Augen in den Augen des Esels. Es mußte schnell gehen. Stundenweit kam ihm der Weg vom Wiesenrand bis zu Ephraim hin vor, wiewohl er kaum fünfzehn, zwanzig Schritt betrug. Das Ding auf dem linken Arm, unter dem Handtuch, war eklig heiß. Es verbrannte ihm fast die Hand, obgleich er doch ein zweites Handtuch zusammengefaltet daruntergelegt hatte. Er mußte es allmählich bewegen, die Aufmerksamkeit des Esels darauf lenken. Aber vorsichtig, ganz, ganz langsam nur.
    Da — Ephraims Augen flackerten ungewiß, glitten von seinem Gesicht weg zum Handtuch hin. Er witterte, schnaubte.
    Hubert frohlockte unter dem Schweiß. Er spürte, daß der Angriff in die geplante Richtung gehen würde. Schnell jetzt, nicht zu früh — und keinen Sekundenbruchteil zu spät. Die Finger am Handtuch zitterten.
    Ringsum aus den Gebüschen spähten Augen auf die Szene, Jungenaugen, Mädchenaugen.
    Frau Marthas Augen. Sie sah es geschehen, in einem einzigen grellen Moment: den Satz, das Vorschnellen des Eselskopfes, das Aufreißen des schnaubenden Rachens, den weißen Blitz, als das Tuch zu Boden zuckte. Ehe der Schreckensschrei aus ihrem Innern nur die Lippen erreichte, krachten drüben die Kinnladen zusammen, bohrten die Zähne sich knirschend ein.
    Sie konnte es nicht zu Ende sehen. Stöhnend schloß sie die Augen. Der Griff auf ihrem Arm lockerte sich. Schrie denn niemand? Die Stille schwoll um sie, brandete gegen ihre Ohren. Weshalb schrie Hubert nicht?
    Ein Geräusch traf ihr Ohr, ein unglaubliches Geräusch: Lachen. War jemand übergeschnappt?
    Ihr Mann lachte. Sie riß die krampfhaft zusammengepreßten Augen auf und sah ihn verstört an, dann Hubert, der noch auf der gleichen Stelle stand und grunzte. Unverletzt stand er da und grinste breit zu ihr herüber, und der Esel, Ephraim, saß vor ihm auf der Hinterhand, den Kopf schräggelegt, die Augen vorquellend. Soeben ließen seine Zähne los, mit einer fast komisch anmutenden Vorsicht und Langsamkeit. Zentimeterweise lösten sich die Lefzen. Sein Maul dampfte, und auf Huberts Hand dampfte es auch: ein schwerer, brauner, verbrannt riechender Gegenstand. Sie rang nach Luft. »Mein-mein Sonntagsbraten! Vier Pfund bestes Roastbeef!« Der Ruf ertrank im Geheul der Kinder, die aus den Büschen auf die Wiese stürzten, aufgeregt lachend und schreiend. Der Esel leckte sich die schmerzenden Lefzen und stob in ein paar wilden Sätzen davon. Don Chaussee sah sich strahlend um: »Ein Prachtkerl, dieser Junge! Läßt ihn in einen kochendheißen Braten beißen! Hat die Welt so was schon erlebt? Grips ist gar kein Wort — der Bursche ist ein Genie! Das ist in fünf Tagen an sämtlichen Lagerfeuern

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