13 alte Esel
stark«, erläuterte er, »vielleicht sind sie im Verhältnis zu ihrem Gewicht die stärksten Arbeitstiere überhaupt. Die ausdauerndsten sind sie sicher. Und so dickköpfig und stur wie unsere Esel der nördlichen Länder sind sie im Süden nicht. In Spanien und Ägypten etwa gibt es ausgesprochen schöne Eselrassen, große, feurige Tiere, die reichen Leuten als Reittiere dienen. Dort...«
»Steht ja alles im Brehm«, fiel Hubert mürrisch ein. »Ich les’ doch nicht mit zunen Augen. Wenn Sie sonst nichts wissen !« Achselzuckend schlenderte er zur Wiese hin.
Ein paar ‘runterhauen möchte man ihm manchmal, dachte Don Chaussee ärgerlich. Aber die Regung verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Der Bursche meint es gar nicht so, dachte er weiter, während er sich die erste Pfeife heute morgen stopfte. Sein Blick streifte liebevoll den ruppigen Bengel am Wiesenzaun, der zu »seinem« Esel hinüberstarrte und dabei mit verächtlich geschürzten Lippen knurrte: »Stark! Jammerlappen sind das. Nur der Ephraim nicht, das Biest!«
Als hätte der Esel seinen Namen verstanden, hielt er jetzt im Grasen inne und schielte aus flackernden Augen herüber.
»Warte nur, Freundchen, dir zeig’ ich’s noch !«
Es klang nicht nach blindem Haß; eher nach einer Kampfansage an einen gefährlichen, ebenbürtigen Gegner. Trotzdem stand Don Chaussee mit zwei Schritten neben dem Jungen, drehte ihn zu sich um und sagte eindringlich: »Ich habe dir versprochen, daß ich mich nicht in deine Angelegenheiten einmische, aber ich bitte dich, sei vernünftig! Mach dies In-die-Augen-Sehen nicht mit dem Esel! Das ist kein freundlicher Hund, der ist gefährlich, lebensgefährlich. Lieber zehnmal von einem Pferd als einmal von einem Esel gebissen werden! Ich habe weiß Gott genug Erfahrung gesammelt, und ich weiß, was ich sage: Dem kannst du zwar in die Augen, sehen, aber vom Zuschnappen abhalten kannst du ihn nicht. Nie!« Seine Stimme klang rauh vor unterdrückter Erregung. Ihm war mit einemmal, als müsse er die beiden Feinde um jeden Preis auseinanderhalten. Er hatte die Esel hergebracht, er trug die Verantwortung.
Freilich, Hubert war nicht dumm. Don Chaussee hätte nur abermals viel drum gegeben zu wissen, was er vorhatte. Und wieder war er zugleich gespannt. Hubert: Das war in so vielem er selbst. Nur war Hubert härter, als er je gewesen war. Der hatte nicht nur die Sehnsucht, sondern auch feste Pläne und Mut, sie durchzusetzen. Wärme und Besorgnis erfüllten ihn, und daneben doch die jungenhafte Neugier zu erfahren, wie Hubert wohl mit seinem Esel fertig werden würde.
Da, wo auf der steilen Sandseite des Hügels eine lange Treppe in die Kuhle hinabführte, war das grüngestrichene Geländer bei der Eselsjagd am vorvergangenen Sonntag fast völlig zerstört worden. Don Chaussee war gerade dabei, es durch ein stabileres und viel hübscheres aus silbrigen Birkenknüppeln zu ersetzen. Er hatte keinen der Jungen gebeten, ihm zu helfen. Es war nicht nötig gewesen. Leo, der ihn seit den Prügeln wohl als eine Art Bandenchef ansah, wich ihm nicht von den Fersen und sah ihm von den Augen ab, was er tun sollte. Als sich herausstellte, daß diesmal sogar Hammer und Säge mit von der Partie waren, entwickelte er geradezu Feuereifer und schleppte auch Andreas herbei, wobei es nicht so aussah, als müsse sich Andreas allzu heftig überwinden mitzukommen. Sie sägten also einträchtig die Äste auf gleiche Länge zurecht, während Hubert, der den verletzten Arm außer zu Schularbeiten zu nahezu jeder Beschäftigung erstaunlich gut benutzen konnte, mit dem Küchenbeil Kerben schlug, damit die Hölzer über Kreuz ineinanderpaßten, und Ferdi wie ein Dackel herumwuselte und allen im Wege stand vor Hilfsbereitschaft, was freilich seine neuerwachte Daseinsfreude nicht störte. Die Arbeit wäre am bequemsten auf dem glattgefegten Platz vor dem Schuppen gemacht worden, doch als Don Chaussee zum Hügel hinüberging, um an Ort und Stelle das alte Geländer zu entfernen und Löcher für die neuen Pfähle zu graben, erschien kurz darauf Leo mit dem Hauklotz auf der Schulter, die Säge unterm Arm, gefolgt von Andreas und Hubert mit je einer Ladung Knüppeln, und die Kletten konnten ihre Bauklötzchen nun gleich unter steter Gefahr für die Finger vor der Säge wegholen.
Kurz nach Mittag war die Sonne durch den Dunst gebrochen und schien warm und freundlich. Die Säge knirschte. In der Spitze der hohen Fichte, unter der sie arbeiteten, hackte ein
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