13 alte Esel
wissen.
Don Chaussee schwieg wieder. Nicht vorsichtig, nicht bedeutungsvoll, einfach gelassen. Es machte Hubert rasend. Nach einer Weile nahm er die Pfeife aus dem Mund. »Bist du musikalisch ?«
»Wieso?« Hubert hatte sich vorgenommen, bockig zu schweigen, wenn der Kerl ihn etwa ausquetschen wollte. Auf diese Frage war er nicht vorbereitet gewesen.
»Bist du ?«
»Nee.«
»Dumm.« Es klang bedauernd.
War er vielleicht verrückt? Oder wollte er ihm Kinderliedchen Vorsingen? Zweistimmig mit der Monika? Waschlappen, alle beide. »Dumm«, wiederholte Don Chaussee, sich bequemer auf dem Stuhl zurechtrückend. »Dann hast du ja gar nichts davon .« Beinahe verträumt fuhr er fort: »Zwei Bisse in zwei Tagen... morgen noch ‘n Biß... dann hat der Esel schon ganz nett Übung... beim nächsten klappt’s dann wohl: Schlagader oder Hinterkopf, und dann hops, auf zu Petrus. Na ja, und der fragt dann, ob du vierhändig Orgel spielen kannst — oder singen. Wenn man musikalisch ist, stell’ ich mir das ganz hübsch vor...«
Hubert konnte nicht so schnell denken, wie er ungeduldig wünschte. Fluchen konnte er, ohne zu denken. Also fluchte er. Ausgiebig.
Don Chaussee wartete, bis er erschöpft zurückfiel und sich zur Wand drehte. »Ich würde mich an deiner Stelle ja nicht so aufregen«, sagte er. »Wenn du mit deinem Partner da draußen richtig fertig werden willst, kannst du eine Menge ausgeruhter Intelligenz brauchen, schätze ich. Ich persönlich bin ja nicht rachsüchtig, aber wenn du es nun mal bist, mußt du eben mit dem Verbrecher ins reine kommen. Geht mich nichts an, will ich nicht mal wissen, ist deine Sache. Nur: Von Tieren versteh’ ich eine Menge. Der Kerl, der dich beim Wickel gehabt hat, ist ein alter Esel; du bist noch ‘n junger. Der hat vermutlich dreimal soviel Tricks gelernt wie du. Mit Gewalt ist bei dem nichts zu machen .«
Er schwieg einen Augenblick nachdenklich. Hubert rührte sich nicht. Ohne den leisesten Ton der Überredung fuhr Don Chaussee sachlich, wie unbeteiligt fort, als erörterten sie nur miteinander ein interessantes Problem. »Junge Stiere rasen los, wenn man sie reizt. Wir sind schon tagelang im Sattel gewesen, um sie zur Räson zu bringen. Das ist gefährlich und verlangt ‘nen ganzen Mann mit allerhand Kraft und Mut. Aber wenn so ein alter Leitstier tückisch wurde, dann haben die erfahrensten Cowboys eine glatte Kugel vorgeschlagen, statt sich mit ihm einzulassen. Das ist nicht mehr Mut, sondern Verrücktheit. Wenn es unbedingt sein muß, kann man freilich auch mit dem alten fertig werden. Mit viel kaltem Blut und mit verdammt viel Köpfchen...«
Aus dem Bett kam kein Laut.
»Da hab’ ich mal einen Cowboy gekannt, der fing gerade an, als Rodeo-Reiter berühmt zu werden. Die wildesten Grünlinge brach er ein. War ein blutjunger Bursche, aber wie der auf einem buckelnden Colt saß — na, das war sehenswert! Ob die Böcke sich rollten, stiegen, sich überschlugen, über die Fences wetzten oder die Sattelgurte zum Platzen brachten vor Kraft — er hielt sich, sprang ‘runter, war wie der Blitz wieder oben. Wunderbar! Ja, und dann hat ihn ein alter Wallach in der Box zertrampelt. Er wußte, der Alte konnte keinen Stock sehen, aber der Bursche war hitzig, hatte zuviel getrunken, mit den anderen gewettet — wie das nun mal so ist. ‘n paar warnten ihn. Nichts zu machen — er mußte seinen Kopf durchsetzen. Ging mit der Peitsche von vorn auf den Wallach los. Hochnehmen konnte er sie — ‘runtergefallen ist sie mit ihm zusammen. War kein schöner Anblick .« Er paffte einen Moment lang vor sich hin. »Tat mir leid um den jungen Kerl. >Schade<, sagte ich zu einem erfahrenen Kollegen, >der hatte eine Zukunft vor sich .< — >Nee<, sagte der kopfschüttelnd, >wer so maßlos dumm ist, einen alten Verbrecher ohne Überlegung zu reizen, der hat seine Zukunft hinter sich.<«
Huberts Lider waren beim gleichmäßigen Ton der Stimme schlafschwer über die Augen gefallen. Als er plötzlich nichts mehr hörte, riß er sie auf und schaute sich um. Don Chaussee war fort. Kein Schatten, keine Pfeife, keine Stimme mehr. Unverschämt — ihn allein zu lassen, wenn’s interessant wurde! Ächzend wälzte er sich auf die Seite. So ‘n Quatsch, dachte er einschlafend, so ein ausgemachter Quatsch — wo die Esel doch längst weg waren!
5. Kapitel
Die Esel fraßen. Dreizehn Mäuler bohrten sich gierig ins Heu; schnobernde Nüstern sogen den süßen Geruch ein, während die Zähne
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