13 alte Esel
stand ihr gut. Er färbte ihre weiße Haut rosig, gab ihr einen lebendigeren Schimmer. Sie war schön, jawohl. Nirgendwo war ihm eine stattlichere, tüchtigere Frau begegnet. Es machte ihn bloß traurig zu wissen, daß diese Momente, in denen er sie so bewunderte, unweigerlich jene anderen Momente ausschlossen, in denen — wie vor wenigen Stunden erst, bei Tisch — Friede war zwischen ihnen.
Man bekam eben niemals alles zugleich im Leben. Vermutlich wäre es zu schön. Er seufzte, ein wenig bedrückt, ein wenig trotz allem auf eine Änderung hoffend, und machte sich auf, den Esel zu suchen und wieder einzusperren.
Als er sich zwanzig Minuten später mit einem höchst widerspenstigen Grautier endlich der Wiese näherte, hörte er von dort Stimmengewirr. Alle, sogar Gerda und die Kletten, waren in eine offenkundig heiße Auseinandersetzung verwickelt. Don Chaussee fürchtete für die Esel, aber er sah bald, daß sie einen frisch aufgeschütteten Heuberg umstanden und wieder blindgierig fraßen. Der Esel an seiner Hand zappelte bei diesem Anblick und zog nun mit der gleichen Energie vorwärts, die er bislang zum Rückwärtsziehen angewandt hatte. Don Chaussee war froh, als er ihn jenseits des Hecks loslassen konnte.
»Sie müssen mir helfen, Herr Krapp«, forderte Gerda ohne Umschweife. »Ulrike und ich wollen den Eseln Namen geben, und jetzt mischen sich die anderen ein und werden frech .«
»Laß sie doch«, bat Ulrike, schon wieder mit Tränen kämpfend. Gerda sagte hochmütig: »Wieso? Mein Großvater bezahlt das alles hier. Er bezahlt auch das Futter für die Esel. Die da sollen gefälligst froh sein, wenn sie satt zu essen kriegen, und sich nicht in Sachen einmischen, die sie gar nichts angehen .« Ihr Mund verzog sich verächtlich.
»Wenn die Esel was kaputt machen, dürfen wir uns abschuften und die Küche schrubben. Da lassen sich die feinen Damen nicht sehen, nur wenn wir auch mal ‘nen Spaß haben wollen, dann sind wir zu schlecht«, kreischte Änne.
»Soll doch gehen, die Ziege. Kann ja ganz bei Doktors wohnen !« Gerda stand inmitten des wütenden Haufens und ließ das Schreien mit Genuß an sich abgleiten. Sie freute sich, daß sich die anderen ärgerten. »Schicken Sie sie ‘rein, die haben ja gar nicht frei«, sagte sie schließlich im Befehlston zu Don Chaussee, der aufmerksam die Gruppe betrachtet hatte.
Er grinste leicht. Alle sahen zu ihm hin. »Ich meine, es sind genug Esel da für alle. Jeder sucht sich einen aus, und dann geben wir ihnen einen Namen«, sagte er freundlich.
Gerda lief rot an. »Ich habe gesagt, Sie sollen sie ‘reinschicken«, wiederholte sie, nahezu mit dem Fuß aufstampfend, »Sie — Sie hergelaufener Kerl !«
»Gerda, wie kannst du so was sagen !« Ulrike starrte fassungslos von ihr zu Don Chaussee. Der hatte einen einzigen Schritt auf sie zugemacht und ihr — klatsch — eine Ohrfeige gegeben. Es verwunderte ihn selber, denn es war nicht aus Zorn geschehen. Irgend etwas in ihm hatte ihm die Entscheidung abgenommen. »Und jetzt suchen wir Namen aus«, grinste er, als sei nichts geschehen, und wandte sich den Heimkindern zu. Er ließ sie zu keinem Jubel kommen. »Was meinst du, Franziska ?« fragte er schnell. »Du bist die älteste .«
Franziska war ganz benommen. Daß so was möglich war! Eine Verwandte vom Chef ohrfeigen. Der riskierte vielleicht was!
»Na ?« ermunterte er.
»Jungensnamen — Charley, Bobby, Conny...« Gelächter unterbrach sie und brach zugleich den Bann. Gerda, die ins Haus zurückstürzte, war vergessen. Namen waren interessanter. »Heldennamen«, schlug schließlich Ferdi vor. Gerdas Ohrfeige fand er richtig. Zu Hause kriegte sie öfters welche. »Julius Cäsar — Tiberius — Prusias — Hannibal...«
»Nie gehört«, sagte Leo. Womit der Vorschlag unter den Tisch fiel. Den im Augenblick besten Einfall hatte Änne. Sie hatte häufiger gute Einfälle, die freilich immer so ausgingen, daß diejenigen, die sie ausführten, dabei in Schwierigkeiten gerieten. Sie war klein und katzengeschwind, hatte grünlichbraune Augen unter dunkelblonden, stets schmuddelig aussehenden Haaren, eine dicke, gelbliche Haut, ein eher breites als ovales Gesicht und eine boshafte Natur. Mit Frau Martha kam sie von allen am besten aus, denn sie war ungewöhnlich geschickt bei der Hausarbeit und verstand es, zu schmeicheln und die anderen durch scheinbar zufällige Bemerkungen zu verpfeifen. »Ich nenne meinen Bileam«, feixte sie jetzt, »in der Bibel steht:
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