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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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heißhungrig das Futter zermalmten. Das Heu war schlecht: vom Regen ausgelaugt, mit Binsen durchsetzt, sauer, von Disteln verfilzt. Die Esel aber fraßen, fraßen. Für viele von ihnen war die Wiesenecke hinterm Schuppen der erste üppig, ja verschwenderisch gedeckte Tisch ihres Lebens.
    Für zwei war es zugleich der letzte.
    Don Chaussee fand sie am anderen Morgen, als der dünne Nebel wie Rauch vor der Septembersonne verging. Friedlich lagen sie da, im glücklichen Sattsein eingeschlafen. Schorf und Schrammen und die Krusten von Blut und Jod waren von glitzernden Tauperlen verdeckt; zwischen den mageren Knochen hingen die Fäden des Altweibersommers.
    Schwester Monika jammerte, wie sie bereitwillig über alles und jedes jammerte, was ihr des Jammerns wert erschien: Bennekamps Härte gegen Waldemar Müller etwa, oder eine angesengte Seidenbluse, Frau Marthas Hühneraugen, die verdorbenen Sonntagskleider und nun der Tod von ein paar alten Eseln. Waldemar hielt diese Fähigkeit grenzenlosen Mitgefühls für eine ihrer nobelsten Eigenschaften.
    Frau Martha sagte: »Unnütz waren sie ohnehin«, doch sie sagte es mit belegter Stimme, so, als rührten die toten Esel an eine sanftere Stelle ihres Herzens, die sie den lebenden versperrt hielt. Und obwohl sie ihre Gedanken und ihr Tun sofort nützlicheren Dingen zuwandte — sie hatte große Wäsche — seufzte sie im Verlauf des Morgens ein-, zweimal vor sich hin.
    Ferdi half Don Chaussee ein tiefes Loch graben, und weil er so bedrückt war, sagte Don Chaussee: »Sei nicht traurig. Tiere haben weniger vom Leben als wir Menschen; dafür sterben sie leichter. Sie hatten genug gefressen und waren sicher froh wie seit langem nicht; und dann haben sie sich schlafen gelegt und sind nicht wieder aufgewacht. Bestimmt hat es nicht weh getan .« Ferdi sah ihn dankbar an und verzierte das Grab mit Lärchen- und Tannenzweigen. Danach gingen sie gemeinsam ins Dorf, um bei Große-Witte, der nicht nur Bürgermeister war, sondern auch ein farbig assortiertes Lager aller zum täglichen Leben erforderlichen Dinge führte, ein paar Gartengeräte und Zubehörteile zu erstehen.
    Vor dem Laden auf dem Kirchplatz wäre Ferdi beinahe über ein Bündel langer Stangen mit merkwürdigen Beutelchen und Schnappvorrichtungen am oberen Ende gestolpert. Sie glichen Klingelbeuteln, die der Küster des Sonntags beim Opfersammeln durch die Reihen schob, und er war sehr erstaunt, als ihm Don Chaussee erklärte, damit pflücke man Birnen und Äpfel von den Bäumen. Der rührige Bürgermeister nutzte den Platz vor seinen zwei Schaufenstern stets zu einer kunstvoll arrangierten Freilichtausstellung der jeweiligen Konjunkturartikel, und so konnte Ferdi außer den Pflückern auch Leitern aller Größe, Stöße von Obstkörben aus Draht und Weidengeflecht, seltsam wattierte, blecherne Feldflaschen und, als jahreszeitlich unabhängiges Glanzstück, eine funkelnagelneue Lambretta bewundern.
    »Das geht auf Rechnung«, sagte später drinnen Don Chaussee, als Große-Witte aus den Bestellungen ein halbwegs handliches Paket machte, »nun brauch’ ich noch was gratis .«
    Große-Witte, der nicht ahijte, zu welchem Alpdruck sich dieses »Gratis« in nächster Zukunft gestalten sollte, fragte begreiflicherweise zurück: »Wieso ?«
    »Na, hab’ ich vielleicht die Idee mit den Eseln gehabt? Habt ihr jetzt das Theater zu Hause? Mir ein bißchen zu helfen ist wohl das wenigste, meine ich. Anständigerweise! Zwei sind schon kaputt .« Große-Witte sah, zumal nach den letzten Worten, keinen Ausweg mehr und stieg also mit den beiden über die Kisten, Ballen, Rollen und Papierhaufen des Hofes ins Lager, wo Don Chaussees präriegeübte Augen nicht nur sofort entdeckten, was er eigentlich hatte haben wollen — ein anderthalbpfündiges uraltes Vorhängeschloß mit sieben Schlüsseln, von denen keiner genau paßte — sondern auch einen Kasten krummer Nägel, einige leichtbeschädigte Feilen, Bohrer, einen kleinen Hammer ohne Stiel und ähnliches »Zeug«. Im Laden ließ er unter den Augen des Besitzers noch ein Büchschen Maschinenöl mitgehen.
    Der Bürgermeister machte drei Kreuze hinter ihm her.
    Don Chaussee erzählte unterwegs, dem leise melancholischen Schimmer dieses Tages angemessen, weniger aufschneiderisch als wehmütig von den Torheiten seines Lebens und von einem Herzen, das nirgends recht zu Hause war. Ferdi verstand nicht alles, aber er verstand, daß hier jemand war, der ihm nicht nur sagen konnte, was er tun

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