13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Aufseher des Palastes machte eine Gebärde des Entsetzens, und der Mutesselim erhob sich augenblicklich.
„Effendi, was tust du?“ rief er.
„Ich komme, um Abschied von dir zu nehmen.“
„Mit einem Hund?“
„Er ist besser als mancher Mensch. Du sagtest mir, daß ich nicht wiederkommen solle, und ich komme mit dem Hund. Das ist die Antwort eines Emir aus Germanistan. Sallam!“
Ich verließ ihn ebenso schnell als ich gekommen war und ging hinab. Unten aber, da ich mich nun im Freien befand, nahm ich mir Zeit; aber es kam niemand, um mich zur Rede zu stellen. Ich stieg auf und ritt davon. Die Gefährten waren eben erst zum Tor hinaus, als ich sie einholte; denn Mersinahs Abschiedsworte an sie hatten einige Zeit in Anspruch genommen.
„Was noch gemacht beim Mutesselim?“ fragte Lindsay.
Ich erzählte es ihm.
„Ausgezeichnet! Hm! Köstlicher Einfall! Würde gut bezahlen, wenn Ihr ein anderer wäret! Yes!“
Er brummte und lachte noch lange vor sich hin.
Wir mußten bald absteigen, um die Pferde den steilen Weg hinabzuführen. Desto schneller aber ging es unten weiter, bis wir die Stelle erreichten, an welcher wir früher links abgeschwenkt hatten. Hier mußte Halef zurückbleiben und sich verstecken, um uns zu benachrichtigen, wenn wir beobachten würden. Wir erreichten die kleine Lichtung, bei welcher wir die Pferde anbanden, und drangen dann zu Fuß in das Dickicht ein.
„Hier!“ meinte der Engländer, als wir bei den Eichen anlangten. „Prachtvolle Villa da oben! Well! Raucht Tabak!“
Wirklich sah man ein kleines Tabakswölkchen nach dem andern oben aus der ‚Villa Amad‘ hervorkräuseln. Der Araber lag in der Tiefe des Loches und bemerkte unsere Gegenwart nicht eher, als bis er durch einen lauten Ruf aufmerksam gemacht wurde. Jetzt steckte er den Kopf hervor und erkannte uns. Die frische, kräftige Waldluft und die nahrhaften Speisen hatten ihn wenigstens insoweit gekräftigt, daß er ohne weitere Beihilfe herabkommen konnte. Ich erhielt dabei auch meinen Lasso wieder, welchen er gestern oben behalten hatte.
Wir verweilten einen Augenblick, kehrten zurück und bestiegen die Pferde, da es uns allen darauf ankam, noch heute eine gute Strecke Wegs zwischen uns und Amadijah zu legen. Halef meldete, daß sich nichts Verdächtiges gezeigt habe, und so bogen wir rechts in den Weg ein, welcher zu den Sommerwohnungen der Bewohner von Amadijah führte.
Wir ritten in einem Tal empor, dessen Sohle ein breiter Bergbach bewässerte. Die Seiten waren mit schönem Laubwald besetzt. Weiter oben teilte sich der Bach in sehr viele Arme; das Tal wurde breiter und bot den nötigen Raum für eine Menge von Zelten und Hütten, die in malerischer Unordnung im Tal und an den Abhängen desselben standen. Dies waren die Jilaks oder Sommerwohnungen.
Diese Stelle war außerordentlich gut gewählt. Grüne Wald- und Fruchtbäume beschatteten die Zelte und Hütten, und dichtes Rankengewächs bildete einen reichen Teppich an den Abhängen hinauf. Dieser gesunde Ort bot einen grellen, aber lieblichen Gegensatz zu der von giftigen Lüften erfüllten Festung Amadijah.
Während die anderen im schnellen Tempo weiter ritten, um Späherblicken baldigst zu entgehen, stieg ich mit dem Engländer vor der Wohnung eines Geldwechslers ab, da Lindsay sich einen Vorrat von landläufigen Münzen einwechseln wollte.
Die Spitze der Höhe erreichten wir nach einer halben Stunde, obgleich die Strecke zwei englische Meilen beträgt, und nun sahen wir das Tal von Berwari vor uns liegen, wo wir vor jeder Verfolgung von Seiten der Türken in Sicherheit waren.
In der Ferne blauten die Tijariberge, von denen uns besonders der Kegel von Aschiehtah in die Augen fiel. Seine Spitze glänzte weiß, denn er war mit Schnee bedeckt, während wir vor noch ganz kurzer Zeit auf den Weidegründen der Haddedihn den reichen Blumenstaub mit den Beinen unserer Pferde aufgewühlt hatten.
Rechts davon stieg hinter den wasserreichen Tälern des Zab das Bergland von Tkhoma empor, und weiter nach Süden sahen wir die Höhen des Tura-Ghara, des Dschebel Haïr und des Zibar-Landes. Von Tijari und Tkhoma hatte die alte Marah Durimeh gesprochen. Ich mußte unwillkürlich an ihr Geheimnis denken, an den ‚Geist der Höhle‘, der dort zwischen jenen Bergen hauste. Ob wir ihm wohl begegnen würden?!
FÜNFTES KAPITEL
Unter Bluträchern
Von der Höhe hinter Amadijah führte der Pfad bergab nach der Ebene Newdascht. Auf derselben angekommen, gaben wir den Pferden
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