13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
andern sind Araber.“
„Von welchem Stamm?“
„Sie gehören zum großen Stamm der Schammar.“
Ich sagte die Wahrheit, weil ich mich auf die Feindschaft zwischen den Türken und den Schammar verließ. Ein Feind der Türken mußte ein Freund der Kurden sein. Zwar wußte ich, daß die südlichen Stämme der Schammar mit den südlichen Stämmen der Kurden auch in Feindschaft leben, doch nur infolge der räuberischen Streitereien der Kurden, welche ja selbst auch wieder mit andern Kurdenstämmen in dem Zustand der Blutrache und des ewigen Streites leben. Hier befanden wir uns in der Mitte Kurdistans, wo es sicher noch keinen feindlichen Araber gegeben hatte, und daher gab ich meine Antwort in der festen Überzeugung, daß sie uns keinen Schaden bringen werde.
„Ich kenne die Schammar“, hob der Kurde an. „Sie wohnen an der Mündung des Phrath, trinken das Wasser des Meeres und haben böse Augen. Sie heiraten ihre eigenen Mütter und machen Rollen (Würste) aus dem Fleisch der Schweine.“
„Du irrst abermals. Die Schammar wohnen nicht am Meer und essen niemals Schweinefleisch.“
„Schweig! Ich selbst bin bei ihnen gewesen und habe das alles gesehen. Wenn diese Männer ihre Mütter nicht geheiratet haben, so sind sie keine Schammar. Auch leben die Schammar in Blutfehde mit den Kurden von Sar Hasan und Zibar, und darum sind sie unsere Feinde. Was wollt ihr hier?“
„Wir wollen fragen, ob ihr eine Hütte habt, in welcher wir heute nacht ruhen können.“
„Wir haben keine Hütten. Wir sind Berwari-Kurden und haben Häuser. Ihr sollt ein Haus haben, wenn ihr uns beweist, daß ihr nicht unsere Feinde seid.“
„Womit sollen wir dies beweisen?“
„Dadurch, daß ihr uns eure Pferde und eure Waffen übergebt.“
O du alter Lügner und Eidechsenfresser! Du hältst die Leute, welche Würste machen, für recht dicke Dummköpfe! Das dachte ich, aber laut sagte ich: „Ein Mann trennt sich nie von seinem Pferd und von seinen Waffen.“
„So dürft ihr nicht bei uns bleiben“, sagte er barsch.
„So ziehen wir weiter“, erwiderte ich kurzweg und ritt zu meinen Gefährten zurück; auch die Kurden schlossen nun einen Kreis um ihren Führer.
„Was sagte er?“ fragte mich der Engländer.
„Er will unsere Waffen und Pferde haben, wenn wir hier bleiben wollen.“
„Mag sie sich holen“, knurrte er.
„Um Gottes willen, Sir, heute keinen Schuß! Die Kurden halten die Blutrache noch heiliger als die Araber. Wenn sie uns feindselig behandeln und wir verwunden oder töten einen von ihnen, so sind wir verloren; denn sie sind mehr als fünfmal so stark als wir.“
„Was aber tun?“ fragte er.
„Zunächst unsern Weg fortsetzen und, wenn sie uns daran hindern sollten, verhandeln.“
Ich sagte das alles auch den übrigen, und sie gaben mir recht, obgleich kein Feigling unter ihnen war. Diese Kurden gehörten sicher nicht alle zum Dorf, das keine solche Anzahl erwachsener Krieger haben konnte; sie waren jedenfalls aus irgendeinem Grund hier zusammengekommen, und es schien, daß sie sich in einer sehr kriegerischen Stimmung befänden. Sie lösten jetzt den Kreis auf und bildeten nun einen scheinbar ungeordneten Haufen, der sich nicht von der Stelle bewegte und unsern Entschluß abzuwarten schien.
„Sie wollen uns den Weg versperren“, meinte Mohammed, der Häuptling der Haddedihn.
„Es scheint so“, stimmte ich ihm bei. „Also gebraucht die Waffen nicht, so lange wir uns nicht in wirklicher Lebensgefahr befinden!“
„Wir wollen deshalb einen weiten Kreis um das Dorf herum reiten“, schlug mein kleiner arabischer Diener Halef vor.
„Das müssen wir auch. Kommt!“
Wir schwenkten in einem Bogen ab, aber sogleich setzten sich die Kurden auch in Bewegung, und der Anführer kam wieder auf mich zugeritten.
„Wo willst du hin?“ fragte er.
„Nach Gumri“, antwortete ich mit Nachdruck.
Meine Antwort mochte dem Kurdenanführer nicht nach Wunsch sein, und er entgegnete:
„Es ist zu weit, und die Nacht bricht ein. Ihr werdet Gumri nicht erreichen.“
„Wir werden andere Dörfer finden oder im Freien schlafen.“
„Da werden euch die wilden Tiere anfallen, und ihr habt schlechte Waffen.“
Das war jedenfalls nur auf den Busch geklopft. Vielleicht war es gut für uns, wenn ich ihn vom Gegenteil überzeugte, trotzdem dies auch das Gelüste, unsere Waffen zu besitzen, in gefährlicher Weise erregen konnte. Darum sagte ich: „Wir haben sehr gute Waffen!“
„Das glaube ich nicht!“
Weitere Kostenlose Bücher