13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
und auf dem platten Dach eine Art von kleinem Schuppen, in welchem Heu aufbewahrt zu werden schien. Der an das Gebäude stoßende Hofraum wurde von einer breiten Mauer umgeben, welche ungefähr drei Ellen hoch war und von einem schmalen Buschwerk überragt ward, das sich an der hinteren Seite der Mauer hinzog. In diesen Hof konnte man nur durch das Haus gelangen.
„Wir sind zufrieden mit dieser Wohnung. Woher nehmen wir das Futter für unsere Pferde?“ fragte ich nun.
„Ich werde es euch senden“, lautete die Antwort.
„Da oben liegt aber ja Futter“, sagte ich und wies auf den Schuppen.
Er sah sichtlich verlegen empor und antwortete dann:
„Das ist nicht gut; es würde euren Tieren schaden.“
„Und wer besorgt uns die Speisen?“
„Ich selbst werde sie bringen nebst Licht. Wenn ihr etwas wünscht, so sagt es mir. Ich wohne in jenem Haus.“
Er zeigte auf ein Gebäude, welches ziemlich in der Nähe stand. Wir stiegen ab und führten unsere Pferde in den Hof. Dann besahen wir uns das Innere des Hauses. Es bestand nur aus einem einzigen Gemach, welches aber durch ein dünnes Flechtwerk von Weiden in zwei ungleiche Hälften geteilt war. Jede derselben hatte zwei Löcher, die als Fenster dienten und mit einer Matte verhängt werden konnten. Diese Löcher waren ziemlich hoch, aber so schmal, daß man kaum den Kopf hindurchstecken konnte. Die Diele bestand aus gestampftem Lehm und war an der hintern Seite eines jeden Gemaches mit einem Binsenteppich belegt. Eine weitere Ausstattung gab es nicht.
Die Türen konnten beide mit einem starken Balken fest verschlossen werden; hier wenigstens also war uns Sicherheit geboten. Im Hof lag einiges altes Holzwerk nebst etlichen Gerätschaften, deren Zweck ich nicht erraten konnte. –
Wir befanden uns allein, denn auch der Nezanum war draußen geblieben, und nun hielten wir großen Rat.
„Glaubst du, daß wir sicher sind?“ fragte mich der Scheik.
„Ich bin im Zweifel darüber. Der Nezanum hat mir alles versprochen und wird es auch halten. Wir sind seine Gäste und die Gäste des ganzen Dorfes. Aber es waren viele da, die nicht zu dem Dorf gehörten.“
„Diese können uns nichts tun“, erwiderte er. „Wenn sie einen von uns töten, wären sie der Blutrache des ganzen Dorfes verfallen, dessen Gäste wir sind.“
„Und wenn sie uns nicht töten, sondern nur bestehlen wollen?“
„Was können sie uns nehmen?“
„Die Pferde, vielleicht die Waffen, vielleicht noch mehr.“
Der ernste Scheik Mohammed Emin streichelte jetzt lächelnd seinen Bart und sagte: „Wir würden uns wehren.“
„Und dabei der Blutrache verfallen“, ergänzte ich.
„Warten wir es ab!“ meinte er.
Da trat auch der Engländer ein, welcher draußen im Hof umhergestöbert hatte. Seine Nase lag auf der rechten und sein Mund auf der linken Seite des Gesichtes, ein ganz sicheres Zeichen, daß ihm etwas Merkwürdiges passiert sei.
„Hm!“ räusperte er sich. „Habe etwas gesehen! – Interessant! – Yes!“
„Wo? So erzählt doch nur!“
„Pst! Nicht in die Höhe sehen! War im Hof. Schmutziger Platz das! Sah die Büsche an der Mauer und stieg hinauf. Schöner Überfall von draußen herein! Würde prächtig gehen. Blicke auch hinauf zum Dach und sehe ein Bein. Well! Eines Mannes Bein. Es guckte einen Augenblick lang aus der Hütte heraus, wo Futter ist.“
„Habt ihr auch recht gesehen Sir?“
„Sehr recht! Yes!“
Jetzt erst fiel es mir ein, daß ich weder eine Treppe noch eine Leiter gesehen hatte, um auf das Dach zu gelangen. Wir traten also hinaus in den Hof, um zu suchen. Es fand sich nichts. Auch im Innern des Gebäudes war nicht zu entdecken, ob man von hier aus auf das Dach gelangen könne, und dennoch wurde es Zeit, nachzusehen; denn die Nacht war schon ganz nahe.
Droben über der hinteren Tür ragte ein Dachbalken etwas aus der Mauer hervor, zwar nicht viel, aber es genügte. Ich nahm den Lasso, knüpfte ihn vierfach zusammen, bildete auf diese Weise eine einzige große Schlinge und warf sie empor. Sie hing am Balken so, daß ich sie unten fassen konnte. Nun zog ich mich an der Schlinge empor, trat in sie hinein und gelangte auf diese Weise auf das Dach. Nun ging ich auf das Behältnis zu, welches bis zum Eingang desselben mit Futter angefüllt war. Ich langte hinein, fühlte aber nichts Verdächtiges; als ich jedoch so weit hineinkroch, daß meine Arme bis ganz hinten langen konnten, faßte ich den Kopf eines Menschen, der sich in die fernste Ecke
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