13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
hing es mit den zusammengebundenen Vorderbeinen an einen Balkenpflock auf. Die Eingeweide wurden nicht herausgenommen, sondern der Kurde nahm einen Mund voll Wasser, hielt die Lippen an … des Tieres und blies das Wasser hinein. Er fuhr in dieser possierlichen Beschäftigung so lange fort, bis die Eingeweide vollständig aufgebläht und nach oben hinaus ausgespült waren. Dann wurden die Gedärme in so viele Stücke zerschnitten, als Männer von dem Schaf essen sollten; auch das Fleisch des Schafes wurde in ebenso viele Teile zerlegt. Nun wickelte ein jeder sein Stück Darm um sein Fleisch und legte dieses Präparat in das mit den Steinen ausgekleidete Loch, über welches ein Feuer angemacht wurde. Schon nach kurzer Zeit war dasselbe hinweggenommen, und die halbgaren Stücke gingen zwischen den Zähnen der Kurden ihrer nützlichen Bestimmung entgegen.
Nach dem Essen zeigte uns der Bey seinen Stall. Es befanden sich in demselben über zwanzig Pferde, doch war unter ihnen nur ein Schimmel, der einer besonderen Aufmerksamkeit würdig war. Dann gab es Kampfspiele und Lieder, zu denen ein zweisaitiges Tambur (Gitarre) die Begleitung wimmerte, und endlich wurden von einem Mann Märchen und Geschichten erzählt, Geschichten, Tschiroka: Baka ki mir – vom sterbenden Frosch; Gur bu schevan – der Wolf als Hirt; Schyeri kal – der alte Löwe; Ruvi u bizin – der Fuchs und die Ziege.
Die Versammlung hörte diesen Vorträgen mit größter Aufmerksamkeit zu, mir aber war es sehr lieb, als sie zu Ende waren und wir uns zur Ruhe begeben konnten. Zu diesem Zweck führte uns der Bey in eine große Stube, an deren Wänden rundum Diwans standen, die uns zum Lager dienen sollten. Da in diesem Raum gar nichts Merkwürdiges zu sehen war, so wunderte ich mich über die gespannten Blicke, mit denen der Bey uns beobachtete. Es waren ganz die Blicke eines Menschen, der erwartet, daß man bei ihm eine außerordentliche Entdeckung machen und bewundern werde. Endlich erkannte ich aus der so oft wiederkehrenden Richtung seiner Augen den Gegenstand, den wir entdecken und bewundern sollten, und natürlich brach ich sofort in das größtmögliche Erstaunen aus:
„Was ist das! Oh, Bey, mit welch einem großen Reichtum hat Allah dich gesegnet! Deine Schätze sind größer als diejenigen des Bey von Rewandoz oder des Beherrschers von Dschulamerik!“
„Was meinst du, Emir?“ fragte er mit einer gewissen Koketterie.
„Ich meine das kostbare Dscham (Fensterglas), mit welchem du deinen Palast geschmückt hast.“
„Ja, es ist sehr selten und teuer“, antwortete er mit stolzer Bescheidenheit.
„Von wem hast du es?“
„Ich kaufte es von einem Israel (Juden), der es aus Mossul brachte, um es dem Schah von Persien zu verehren.“
Es wäre unhöflich gewesen, nach dem Preis zu fragen. Der Jude hatte das Märchen vom persischen Schah erfunden und den Bey jedenfalls ganz tüchtig geprellt. Das Glas war nämlich ein kleines Stück einer zerbrochenen Fensterscheibe und hatte die Größe von kaum zwei Mannshänden. Es war als der größte Schmuck des Zimmers an das geölte Papier des Fensters geklebt worden und ließ den Raum nun allerdings über alle Nebenbuhlerschaft erhaben erscheinen. Der Bey wünschte uns eine gute Nacht in dem Bewußtsein, uns mit diesem Fenster außerordentlich imponiert zu haben.
Wir waren müde und sehnten uns nach Ruhe, die wir nun in vollkommener Sicherheit genießen konnten.
SECHSTES KAPITEL
Bären- und Menschenjagd
Am andern Morgen weckte uns der Bey in eigner Person mit den Worten:
„Emir, erhebet Euch, wenn Ihr wirklich mit nach Mia wollt! Wir werden sehr bald aufbrechen.“
Da wir nach dortiger Gewohnheit in unsern Kleidern geschlafen hatten, so konnten wir ihm fast augenblicklich folgen. Wir erhielten Kaffee und kalte Bratenstücke, und dann setzte man sich zu Pferde. Der Weg nach Mia führte durch mehrere kurdische Dörfer, welche von gut bewässerten Gärten umgeben waren. Kurz vor dem Dorf erhebt sich das Terrain bedeutend, und wir hatten einen Paß zu überschreiten, an dem wir von einigen Männern erwartet wurden. Dies schien dem Bey aufzufallen, denn er fragte sie, warum sie nicht in Mia geblieben seien.
„Herr, es ist seit gestern vieles geschehen, was wir dir berichten müssen“, antwortete einer von ihnen. „Daß die Nestorah das untere Dorf verlassen haben, wird dir Dohub gesagt haben. Heute in der Nacht nun ist einer von ihnen in dem oberen Dorf gewesen und hat einem Mann, dem er
Weitere Kostenlose Bücher