13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Glieder. In seine Augen funkelte ein Licht, das mir sagte, daß der erwartete Zusammenstoß jetzt geschehen werde. So viel stand sicher: wenn ich ihn nicht auf der Stelle unschädlich machte, so war es um mich geschehen.
„Wirst du gehorchen?“ drohte er.
„Knabe, mach dich nicht lächerlich!“ entgegnete ich lachend.
„Knabe!“ brüllte er. „Hier nimm den Lohn!“
Er schlug nach meinem Kopf; ich parierte mit dem linken Arm den Hieb und ließ dann meine rechte Faust mit solcher Gewalt an seine Schläfe sausen, daß ich glaubte, sämtliche Finger seien mir zerbrochen. Er stürzte lautlos zusammen und lag steif wie ein Klotz.
Die Umstehenden wichen scheu zurück; einer aber rief:
„Er hat ihn erschlagen!“
„Ich habe ihn betäubt“, antwortete ich. „Werft ihn in das Wasser, so wird er die Besinnung bald wieder finden.“
„Chodih, was hast du getan!“ erscholl es hinter mir.
Ich wandte mich um und erblickte den Melek, welcher soeben aus der Tür getreten war.
„Ich?“ fragte ich. „Hast du diesen Mann nicht vor mir gewarnt? Er schlug dennoch nach mir. Sage ihm, er soll es ja nicht wieder tun, sonst werden seine Töchter weinen, seine Söhne klagen, und seine Freunde trauern!“
„Ist er nicht tot?“
„Nein. Beim nächsten Mal aber wird er tot sein.“
„Herr, du bereitest deinen Feinden Ärger und deinen Freunden Sorgen. Wie soll ich dich schützen, wenn du dich nach immerwährenden Kämpfen sehnst?“
„Sag dies dem Raïs, denn es ist sehr wahrscheinlich, daß du zu schwach bist, ihn vor meinem Arm zu beschützen. Erlaubst du ihm, mich zu beleidigen, so gib mir nicht die Schuld, wenn ich ihn Anstand lehre.“
„Herr, geh fort; er kommt jetzt wieder zu sich!“
„Soll ich vor einem Mann fliehen, den ich niedergeschlagen habe?“
„Er wird dich töten!“
„Pah! Ich werde keine Hand zu rühren brauchen. Paß auf!“
Meine Gefährten hatten von ihrer offenen Wohnung aus den ganzen Vorgang mit angesehen. Ich winkte ihnen mit dem Auge zu, und sie wußten, was ich von ihnen begehrte.
Man hatte den Kopf des Raïs mit Wasser gewaschen, jetzt richtete er sich langsam empor. Auf einen Faustkampf durfte ich es nicht ankommen lassen, denn sowohl mein Arm, mit dem ich seinen Hieb parierte, als auch meine rechte Hand war in den wenigen Augenblicken ganz beträchtlich angeschwollen; ich mußte froh sein, daß mir dieser Goliath nicht den Arm zerschmettert hatte. – Jetzt erblickte er mich, und mit einem heiseren Wutschrei stürzte er auf mich zu. Der Melek versuchte ihn zu halten; auch einige andere griffen zu, aber er war stärker als sie und rang sich los. Jetzt wandte ich das Gesicht nach dem Hause hin und rief ihm zu:
„Nedschir-Bey, blicke da hinauf!“
Er folgte der Richtung meiner Augen und sah die Gewehre aller meiner Gefährten auf sich gerichtet. Er hatte doch genug Besinnung, um diese Sprache zu verstehen. Er blieb halten und erhob die Faust.
„Mann, du begegnest mir wieder!“ drohte er.
Ich zuckte nur die Achsel, und er ging davon.
„Chodih“, meinte der noch vor Anstrengung keuchende Melek, „du befandest dich in einer großen Gefahr!“
„Sie war sehr klein. Ein einziger Blick hinauf nach meinem Leuten hat diesen Mann unschädlich gemacht.“
„Hüte dich vor ihm!“
„Ich bin dein Gast. Sorge dafür, daß er mich nicht beleidigt!“
„Man sagte mir, daß du mich suchst?“
„Ja, ich wollte dich fragen, ob ich frei in Lizan umhergehen kann.“
„Du kannst es.“
„Aber du wirst mir eine Begleitung geben?“
„Nur zu deiner Sicherheit.“
„Ich verstehe dich und füge mich darin. Wer wird mein Aufseher sein?“
„Nicht Aufseher, sondern Beschützer, Chodih. Ich gebe einen Karuhja an deine Seite.“
Also einen Vorleser, einen Geistlichen! Das war mir lieb und recht.
„Wo ist er?“ fragte ich.
„Hier im Hause wohnt er bei mir. Ich werde ihn dir senden.“
Er trat in das Innere des Gebäudes, und bald darauf kam ein Mann heraus, der in den mittleren Jahren stand. Er trug zwar die gewöhnliche Kleidung dieser Gegend, aber in seinem Wesen hatte er etwas an sich, was auf seinen Beruf schließen ließ. Er grüßte mich sehr höflich und fragte nach meinem Begehren.
„Du sollst mich auf meinen Wegen begleiten!“ sagte ich.
„Ja, Herr. Der Melek will es so.“
„Ich wünsche vor allen Dingen, mir Lizan anzusehen. Willst du mich führen?“
„Ich weiß nicht, ob ich darf, Chodih. Wir erwarten jeden Augenblick die Nachricht von dem
Weitere Kostenlose Bücher