13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
verhielt ich mich vollständig schweigsam. Er selbst unterbrach die Stille, aber in einem so vorsichtigen Ton, daß ich die Befürchtung heraushörte, der Hund werde ihn beim ersten Laut packen.
„Herr, wer hat dich befreit?“
„Das hörst du später.“
„Wohin bringst du mich?“
„Das wirst du sehen.“
„Ich werde Madana peitschen lassen!“ grollte er.
„Das wirst du bleiben lassen! Wo hast du meine Waffen und die anderen Sachen?“
„Ich habe sie nicht.“
„Sie werden sich finden. Höre, Nedschir-Bey, hast du kein besseres Pferd als dieses?“
„Ich habe Pferde genug!“
„Das ist mir lieb. Ich werde sie mir morgen ansehen und mir eins derselben auswählen für das, das du mir heut erschießen ließest.“
„Der Scheïtan wird dir eins geben. Morgen um diese Zeit bist du wieder gefangen!“
„Wollen sehen!“
Jetzt trat wieder Stille ein. Er trabte gezwungener Weise nebenher, der Hund hart an seinen Fersen, und bald sahen wir Lizan vor uns liegen.
Der Ort hatte sich während meiner Abwesenheit in ein Heerlager verwandelt. Drüben auf dem rechten Ufer des Zab herrschte vollständige Dunkelheit, hüben aber brannte Feuer an Feuer, an welchen zahlreiche Männergruppen lagen oder standen. Das größere Feuer brannte vor dem Haus des Melek, wie ich schon von weitem bemerkte. Um jeden unnützen Aufenthalt zu vermeiden, setzte ich mein Pferd in Trab; der Gefangene mußte gleichfalls traben. Dennoch erkannte man mich allenthalben.
„Der Fremde, der Fremde!“ erscholl es, wo ich vorüber kam. Oder es ertönte der Ruf: „Nedschir-Bey! Und gefangen!“ Wir hatten bald ein zahlreiches Gefolge hinter uns, das sich Mühe gab, mit uns Schritt zu halten. So gelangten wir zum Hause des Melek. Hier waren wenigsten sechzig Bewaffnete versammelt. Der erste, den ich erblickte, war – Sir David Lindsay, welcher behaglich an der Mauer lehnte. Als er mich sah, ging mit seinem gelangweilten Gesicht eine gewaltige Veränderung vor: – die Stirn schob sich empor, und das Kinn fiel tief herunter, als sei es in Ohnmacht gesunken; der Mund öffnete sich, als solle ein ganzer Fowling-bull verschlungen werden, und die Nase richtete sich auf, wie der Hals eines Gemsbockes, wenn etwas Verdächtiges in den Wind kommt. Dann tat der lange David einen herkulischen Sprung auf mich zu und fing mich, der ich soeben vom Pferd springen wollte, in seinen geöffneten Armen auf.
„Master, Sir!“ brüllte er. „Wieder da? Heigh-day-heisa! Huzza! Welcome! Hail, hau, hau!“
„Na, erdrückt mich nicht, Sir David! Andere Leute wollen auch etwas von mir übrig behalten!“
„Eh! Oh! Ah! Wo habt ihr gesteckt? Wo gewesen? Wie gegangen, he? Selbst befreit? Lack-a-day, Gefangenen mitgebracht! Wunderbar! Unbegreiflich! Yes!“
Da aber wurde ich bereits von der anderen Seite gefaßt.
„Allah illa Allah! Da bist du ja, Effendi! Allah und dem Propheten sei Dank! Nun sollst du erzählen!“
Es war Mohammed Emin. Und Amad el Ghandur, sein Sohn, der neben ihm stand, rief:
„Wallahi, das hat Gott geschickt! Nun hat die Not ein Ende. Sihdi, reiche uns deine Hand!“
Und dort seitwärts stand der kleine brave Hadschi Halef Omar. Er sagte kein Wort, aber in seinen treuen Augen funkelten zwei große Freudentropfen. Ich reichte auch ihm die Hand:
„Halef, das habe ich zum großen Teil dir zu verdanken!“
„Rede nicht, Sihdi!“ antwortete er. „Was bin ich gegen dich? Eine schmutzige Ratte, ein häßlicher Igel, ein Hund, der froh ist, wenn ihn dein Auge mit einem Blick beglückt!“
„Wo ist der Melek?“
„Im Hause.“
„Und der Bey?“
„In der verborgensten Stube, weil er die Geisel ist.“
„Laßt uns hineingehen!“
Es hatte sich eine große Menschenmenge um uns versammelt. Ich schnürte den Raïs vom Bügel los und bedeutete ihm, mit mir in das Haus zu treten.
„Du bringst mich nicht hinein!“ knirschte er.
„Dojan, paß auf!“
Dieser Ruf genügte. Ich ging voran, das Ende der Schnur in der Hand haltend, und der Gefangene folgte ohne Zögern. Als die Tür geschlossen war, erhob sich draußen ein tosendes, hundertstimmiges Murmeln: die Menge suchte sich den für sie noch geheimnisvollen Vorgang zu erklären. Drinnen trat uns der Melek entgegen. Als er mich erblickte, stieß er einen Ruf der lebhaftesten Freude aus und streckte mir beide Hände entgegen.
„Emir, was sehe ich! Du bist wieder zurück? Heil und unverletzt? Und hier – – – ah, Nedschir-Bey! Gefangen!“
„Ja. Kommt herein,
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