13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
weißt, daß es nur meines Aufrufes bedarf, um so manchen tapfern Stamm der Kurden zur Erhebung gegen ihn zu bringen. Doch ich liebe den Frieden und nicht den Krieg. Ich habe zwar heute Dschesidi aus ganz Kurdistan und den angrenzenden Provinzen um mich versammelt und könnte die Fackel des Aufstandes unter sie schleudern; aber ich tue es nicht, sobald der Mutessarif mir erlaubt, die Rechte der Meinigen zu wahren. Ich will dir und deinen Truppen jetzt noch die Waffen lassen; aber ich habe einem Verbündeten Gewehre versprochen, und die wird der Gouverneur auf alle Fälle liefern müssen.“
„Wer ist dieser Verbündete?“
„Kein Dschesidi verrät seinen Freund. Also du behältst deine Waffen, aber alle Munition lieferst du mir ab, und dafür verspreche ich dir, für den Proviant zu sorgen, dessen du bedarfst.“
„Gebe ich dir die Munition, so ist es genau so, als ob du auch die Waffen hättest!“
Ah Bey lächelte.
„Wohl, so sollst du auch die Munition behalten; doch sage ich dir; wenn deine Leute Hunger bekommen und du mich um Proviant bittest, so werde ich dir denselben nur gegen Flinten, Pistolen, Degen und Messer verkaufen. Also auf diese Weise seid ihr nicht kriegsgefangen, sondern wir schließen nur einen Waffenstillstand ab.“
„So ist es, und darauf kann ich eingehen.“
„Du siehst, daß ich sehr nachsichtig bin. Nun aber höre meine Bedingungen: Ihr bleibt im Tal Scheik Adi; ihr bleibt ohne alle Verbindung mit außen; ihr enthaltet euch aller Feindseligkeit gegen die Meinigen; ihr ehrt unsere Heiligtümer und unsere Wohnungen; erstere dürft ihr gar nicht betreten und die letzteren nur mit meiner Erlaubnis; der Waffenstillstand dauert so lange, bis euch ein Befehl des Mutessarif zugeht, und zwar wird dieser Befehl euch in meiner Gegenwart gegeben; jeder Fluchtversuch, auch eines einzelnen, und jede Zuwiderhandlung gegen unsere Vereinbarung hebt den Waffenstillstand sofort auf; ihr behaltet eure gegenwärtige Stellung und ich die meinige. Dagegen mache ich mich verbindlich, daß ich bis zu der angegebenen Zeit mich aller Feindseligkeiten enthalten werde. Bist du einverstanden?“
Nach einem kurzen Bedenken und einigen unwesentlichen Hinzufügungen und Ausführungen nahm der Kaimakam die Bedingungen an. Er verwandte sich sehr für den Makredsch und verlangte die Auslieferung desselben, doch ging Ali nicht darauf ein. Es wurde Papier herbeigeschafft; ich entwarf den Vertrag, und beide unterzeichneten: der eine durch die Unterschrift seines Namens und der andere mit seinem Bu-ken-dium (wörtlich: ‚Dieses ich selbst‘ oder ‚Dieses bin ich selbst‘ – ein statt der Namensunterschrift geltendes Zeichen). Dann kehrte der Offizier in das Tal zurück, wobei es ihm erlaubt wurde, seine drei Soldaten wieder mitzunehmen.
Nun wartete Pali auf die Befehle seines Vorgesetzten.
„Willst du mir einen Brief an den Mutessarif schreiben?“ fragte mich dieser.
„Gern! Was willst du ihm mitteilen?“
„Die jetzige Lage seiner Truppen. Dann sollst du ihm sagen, daß ich mit ihm zu verhandeln wünsche, daß ich ihn entweder hier erwarte oder in Dscherraijah mit ihm zusammentreffen will. Er darf aber eine Begleitung von höchstens fünfzig Mann mitbringen und hat sich aller Feindseligkeiten zu enthalten. Die Zusammenkunft findet übermorgen bis zum Mittag statt. Versäumt er, zu kommen, so töte ich den Makredsch und lasse seine Truppen ihre eigenen Kartätschen fühlen. Dies geschieht auch dann, sobald ich bemerke, daß er gesonnen ist, die Feindseligkeiten fortzusetzen. Kannst du dies schreiben?“
„Ja.“
„Ich werde Pali noch ganz besondere Aufträge erteilen. Schreibe so schnell wie möglich, damit er bald aufbrechen kann!“
Einige Minuten später saß ich im Zelte und schrieb mit meinem Bleistift, nach orientalischer Manier das Papier auf dem Knie, von der Rechten zur Linken hinüber den Brief an den Gouverneur, der sicher beim Lesen desselben keine Ahnung hatte, daß er von seinem Schützling verfaßt worden war. Und kaum eine halbe Stunde später jagte das Pferd, welches Pali trug, im Galopp auf dem Wege nach Baadri hin. –
Das Fest der Dschesidi hatte eine außerordentliche Störung erfahren, aber das Bedauern darüber war nicht so groß wie die Freude, daß es gelungen war, das große Unglück abzuwenden, welches der Versammlung in Scheik Adi gedroht hatte.
„Was wird nun aus dem Fest?“ fragte ich Ali Bey. „Die Osmanly können noch mehrere Tage lang da unten verweilen
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