13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
ihrer früheren Größe zusammengeschrumpelt und von einer ziemlich starken Kruste umgeben, welche, wie sich bei der näheren Untersuchung ergab, aus den unverbrennlichen Bestandteilen des Erdpeches und der daran angeklebten Asche bestand.
„Es sind die Toten“, meinte ich. „Ihr habt es diesem Erdpech zu verdanken, daß ihr euren ‚Heiligen‘ begraben könnt.“
„Aber welcher ist es?“
„Sucht ihn heraus!“
Ich wollte sehen, wie weit der Scharfsinn dieser Männer gehe. Sie gaben sich die größte Mühe, vermochten es aber nicht, die scheinbar schwierige und doch so leichte Frage zu entscheiden.
„Es ist unmöglich, den Pir zu erkennen!“ meinte endlich der Khan in ziemlicher Ratlosigkeit. „Wir müssen entweder darauf verzichten, seiner Asche die gebührende Ehre zu erweisen, oder wir sind gezwungen, beide Körper in die Urne zu legen, Freund und Feind, den Frommen und den Gottlosen. Oder weißt du einen besseren Rat, Emir Kara Ben Nemsi?“
„Ich weiß einen.“
„Wie lautet er?“
„Nur allein die Gebeine des Pir in die Urne zu tun.“
„Aber du hast ja gehört, daß wir dieselben nicht von denen des Miralai unterschieden können!“
„Das ist ja nicht schwer! Dieser hier ist der ‚Heilige‘, und dieser hier ist der Türke.“
„Woraus erkennst du das? Kannst du es beweisen?“
„So sicher, wie ihr es nur wünschen möget. Der Pir hatte keine Waffen bei sich; der Miralai aber trug seinen Säbel, einen Dolch und zwei Pistolen. Seht ihr die krumm gezogenen Pistolenläufe und die Messerklinge an diesem Körper kleben? Die Schäfte und der Griff sind verbrannt. Und hier grad unter ihm sieht die Säbelspitze aus der Asche heraus. Dieser ist also unbedingt der Miralai gewesen.“
Jetzt nun wunderten sich die Dschesidi, daß sie nicht selbst auch auf diesen so einfachen Gedanken gekommen waren. Sie alle ohne Ausnahme stimmten meiner Ansicht bei und machten sich daran, die Reste des Pir in die Urne zu bringen.
Während des ganzen Vorgangs hatte der Kaimakam mit mehreren seiner Offiziere in der Nähe gehalten. Ihm wurde die Leiche seines früheren Vorgesetzten überlassen, und dann kehrten wir wieder zur Höhe zurück. Dort bat Ali Bey den Khan um seine Befehle in Beziehung auf die Bestattungsfeierlichkeit.
„Wir müssen sie auf morgen verschieben“, antwortete dieser.
„Warum?“
„Pir Kamek war der Frömmste und der Weiseste unter den Dschesidi; er soll würdig bestattet werden, und dazu ist es heute zu spät. Ich werde anordnen, daß man ihm im Tal Idiz ein Grabmal errichte, und dieses kann erst morgen fertig sein.“
„So wirst du Maurer und Zimmerleute brauchen?“
„Nein. Wir werden einen einfachen Bau aus Felsblöcken errichten, der keines Kittes bedarf, und jeder Mann, jedes Weib und auch ein jedes Kind soll einen Stein dazu herbeibringen, je nach seinen Kräften, damit keiner der versammelten Pilger ausgeschlossen werde, dem Verwandelten das ihm gebührende Denkmal zu stiften.“
„Aber ich brauche die Krieger zur Bewachung der Türken!“ wendete Ali Bey ein.
„Sie werden sich ablösen; dann stehen dir immer genug von ihnen zu Gebot. Laß uns beraten, welche Gestalt wir dem Bau geben!“
Da ich hierbei unbeteiligt war, suchte ich meinen Dolmetscher auf, um mir das Manuskript des Verstorbenen geben zu lassen. Er hatte es in das Innere eines hohlen Thinarbaumes versteckt, und wir ließen uns in der Nähe desselben nieder, wo ich meinen Sprachübungen ungestört obliegen konnte.
Darüber verging der Tag, und der Abend kam heran. Auf den Höhen, die das Tal von Scheik Adi umgaben, leuchtete ein Wachtfeuer neben dem andern auf. Es war den Türken unmöglich, zu entkommen, selbst wenn der Kaimakam gegen sein Versprechen die Nacht zu einem Durchbruch hätte benutzen wollen. Die Zeit der Dunkelheit verging ohne alle Störung, und am Morgen kehrte Pali zurück. Die Schnelligkeit und Ausdauer seines guten Pferdes hatte die Entfernung zwischen Scheik Adi und Mossul bedeutend abgekürzt. Ich hatte in dem Zelt des Bey geschlafen und befand mich noch dort, als der Bote eintrat.
„Hast du den Mutessarif getroffen?“ fragte ihn Ali.
„Ja, Herr; noch spät am Abend.“
„Was sagte er?“
„Erst wütete er und wollte mich tot peitschen lassen. Dann ließ er viele Offiziere und seinen Diwan effendisi (Versammlung der Räte) kommen, mit denen er sich lange Zeit beraten hat. Dann durfte ich zurückkehren.“
„Bei dieser Beratung warst du nicht
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