13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
hörten alle tief ergriffen zu, und dann bat der Khan:
„Brüder, laßt uns seiner gedenken!“
Sie senkten die Köpfe tief herab. Beteten sie? Ich weiß es nicht; aber ich sah, daß die Augen mehrerer sich befeuchteten und daß ihre Rührung wohl eine wahre und herzliche war. Man hat behauptet, daß nur der Deutsche das besitze, was man ‚Gemüt‘ nennt. Wenn dies wahr sein sollte, so waren diese Dschesidi den Deutschen sehr ähnlich. Wie wollte ich es ihnen gönnen, wenn göttliche Milde und Klarheit des Christentums die Schatten ihrer Täler erleuchten und die Spitzen ihrer Berge vergolden dürfte!
Erst nach einer längeren Weile wich ihre Andacht der gewöhnlichen Stimmung, so daß ich wieder zu ihnen reden konnte.
„Nun sendet mich Ali Bey, um euch zu ihm zu holen. Er will es versuchen, ob die Überreste des Heiligen noch zu finden seien, damit sie in diesem Fall heute noch begraben werden.“
„Ja, das ist eine wichtige Aufgabe, welche wir zu lösen haben. Die Gebeine des Pir dürfen nicht da ruhen, wo diejenigen des Miralai liegen!“
„Ich befürchte sehr, daß wir nicht Gebeine, sondern nur Asche finden werden!“
„So laßt uns eilen!“
Wir brachen auf, das heißt, sämtliche Priester und Kawals; die Fakirs aber blieben zur Beaufsichtigung von Idiz zurück. Als wir oberhalb Scheik Adi bei dem Zelt des Bey anlangten, sprach dieser mit einem Mann, den er an den Kaimakam mit der Frage gesendet hatte, ob die Türken den Priestern der Dschesidi erlauben würden, den Scheiterhaufen zu untersuchen. Der Offizier hatte bejahend geantwortet und nur die Bedingung ausgesprochen, daß die betreffenden Personen keine Waffen bei sich führen sollten.
Ali Bey konnte die Scheiks nicht begleiten, da er stets anderweit zur Disposition sein mußte. Ich bat, mich anschließen zu dürfen, und das wurde mir gern gestattet. Fast hätte man die Hauptsache vergessen: ein Gefäß, welches die Asche des Heiligen aufnehmen sollte. Auf eine darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch bereits an diesen Umstand gedacht habe.
„Mir Scheik Khan, du weißt, daß der berühmte Töpfer Rassat in Baazoni meinem Vater Hussein Bey eine Urne machte, die einst seinen Staub aufnehmen soll, wenn es Zeit ist, ihn aus dem Grab zu entfernen, damit er nicht mit dem Mehl des Sarges vermengt und verunreinigt werde. Diese Urne ist ein Meisterstück des berühmten Töpfers und wohl wert, die Überreste des Heiligen aufzunehmen. Sie steht in meinem Haus zu Baadri, und ich habe bereits Boten ausgesandt, sie herbeizuholen. Sie wird ankommen, noch ehe ihr am Scheiterhaufen eure Arbeit beendet habt.“
Dies war genügend, und so setzte sich die Prozession nach niederwärts in Bewegung. Wir kamen bei der Batterie vorüber und langten an dem Ort an, wo der ‚Heilige‘ sich und seinen Feind der Rache geopfert hatte. Wir sahen einen Aschenhügel, aus dem die halb verbrannten Stummel starker Hölzer hervorragten. Vor demselben lag die Leiche des erschossenen Parlamentärs. Die Hitze des Feuers hatte wohl seine Kleider, nicht aber seinen Körper zerstört. Er wurde entfernt, eine Arbeit, bei der unsere Geruchsnerven nicht wenig zu leiden hatten.
Die Asche war erkaltet. Die nahe liegenden Häuser lieferten die nötigen Werkzeuge, und nun begann man eine vorsichtige, nur Zoll für Zoll fortschreitende Wegräumung der Aschendecke. Diese Abräumung mußte so sorglich vorgenommen werden, daß sie eine sehr lange Zeit in Anspruch nahm, während welcher ein Dschesidi mit einem Maultier anlangte, auf dessen Rücken die Urne befestigt war. Ihre Form glich über dem Fuß derjenigen eines umgestürzten Glasschirms, wie wir sie auf unseren Lampen zu sehen pflegen, und darauf ruhte ein Deckel, der eine Sonne krönte. Auf diesem Gefäß waren eine Abbildung und einige Worte im Kurmangdschi eingebrannt.
Es schien mir ganz unmöglich, die Überreste des ‚Heiligen‘ von denen des Scheiterhaufens zu unterscheiden; allein ich sollte mich bei dieser Annahme geirrt haben. Als die Asche beinahe bis zum Boden herab fortgeräumt worden war, wurden formlose Klumpen bloßgelegt, denen die Priester ihre ganze Aufmerksamkeit zuwandten. Sie schienen nicht ins reine kommen zu können, und Mir Scheik Khan winkte mich hinzu.
Es war keine leichte Aufgabe, diese Gegenstände genau zu untersuchen; man mußte sich Mund und Nase dabei verschließen. Wir hatten wirklich die Körper der beiden Toten vor uns. Sie waren halb verbraten und halb verkohlt, auf ein Drittel
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