13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
hat ihn. Laß ihn dir geben!“
Schon stand ich im Begriff, ihm das Schreiben hinzureichen; aber die Hast, womit er danach langte, machte mich denn doch stutzig.
„Erlaube, daß ich ihn dir vorlese!“
Ich las, aber nur bis zu der letzten Bemerkung, welche meinen Verdacht so sehr erregt hatte. Doch da fragte er:
„Ist dies alles? Steht weiter nichts da?“
„Noch zwei Zeilen. Höre sie!“
Ich las nun bis zu Ende und hielt dabei den Blick halb auf ihn gerichtet. Nur einen kurzen Moment lang öffneten sich seine Augen weiter als gewöhnlich, aber ich wußte nun sicher, daß dieser Satz irgend eine uns unbekannte Bedeutung habe.
„Dieser Brief gehört mir. Zeige ihn her!“
Bei diesen Worten griff er so schnell zu, daß ich kaum Zeit behielt, meine Hand mit dem Papier zurückzuziehen.
„Warum so eilig, Kaimakam?“ fragte ich, ihn voll ansehend. „Haben diese Zeilen etwas so sehr Wichtiges zu bedeuten, daß du deine ganze Selbstbeherrschung verlierst?“
„Nichts, gar nichts haben sie zu bedeuten; aber dieses Schreiben ist doch mein!“
„Der Mutessarif hat es dem Bey gesandt, und auf diesen allein kommt es an, ob er es dir geben oder dich nur mit dem Inhalt bekannt machen will.“
„Er hat es dir ja bereits gesagt, daß ich den Brief erhalten soll!“
„Da dieses Papier dir so wichtig zu sein scheint, trotzdem du seinen Inhalt bereits kennst, so wird er mir erlauben, es zuvor einmal genau zu betrachten.“
Mein Verdacht hatte sich noch mehr bestätigt. Anstatt gehoben zu werden, war er bereits zu einer bestimmten Vermutung geworden. Ich hielt das Papier mit seiner Fläche senkrecht zwischen das Auge und die Sonne; ich konnte nichts Auffälliges bemerken. Ich befühlte und beroch es, aber ohne Erfolg. Nun hielt ich es waagerecht so, daß ich die darauf fallenden Sonnenstrahlen mit dem Auge auffing, und da endlich zeigten sich mir mehrere, allerdings nur einem sehr scharfen Blick bemerkbare Stellen, welche zwar mit der Farbe des Papiers beinahe verschwammen, aber dennoch die Gestalt von Schriftzeichen zu haben schienen.
„Du wirst das Papier nicht bekommen!“ sagte ich zum Kaimakam.
„Warum nicht?“
„Weil es eine geheime Schrift enthält, welche ich untersuchen werde.“
Er verfärbte sich.
„Du irrst Effendi!“
„Ich sehe es genau!“ Und um ihn zu versuchen, fügte ich hinzu: „Diese geheime Schrift wird zu lesen sein, wenn ich das Papier in das Wasser halte.“
„Tue es!“ antwortete er mit einer sichtbaren Genugtuung.
„Du hast dich durch die Ruhe deiner Worte verraten, Kaimakam. Ich werde das Papier nun nicht in das Wasser, sondern über das Feuer halten.“
Ich hatte es getroffen; das erkannte ich an dem nicht ganz unterdrückten Erschrecken, welches sein zu offenes Gesicht überflog.
„Du wirst den Brief ja dabei verbrennen und zerstören!“ mahnte er.
„Trage keine Sorge! Ein Effendi aus dem Abendland weiß mit solchen Dingen recht wohl umzugehen.“
Der Bey war ganz erstaunt.
„Glaubst du wirklich, daß dieser Brief eine verborgene Schrift enthält?“
„Laß ein Feuer anmachen, so werde ich es dir beweisen!“
Noch war Pali zugegen. Auf einen Wink Alis suchte er dürre Äste zusammen und steckte sie in Brand. Ich kauerte mich nieder und hielt das Papier vorsichtig über die Flammen. Da tat der Kaimakam einen schnellen Sprung auf mich zu und suchte es mir zu entreißen. Ich hatte das erwartet, wich ebenso schnell zur Seite, und er fiel strauchelnd zu Boden. Sofort kniete Ali Bey auf ihm.
„Halt, Kaimakam!“ rief er; „du bist falsch und treulos; du bist jetzt zu mir gekommen, ohne dich vorher meines Schutzes zu versichern, und ich mache dich zu meinem Gefangenen!“
Der Offizier wehrte sich, so gut er es vermochte, aber wir waren ja drei gegen einen, und zudem kamen auch andere Dschesidi, welche in der Nähe gehalten hatten, herbei. Er wurde entwaffnet, gebunden und in das Zelt geschafft.
Nun konnte ich mein Experiment vollenden. Die Flamme erhitzte das Papier beinahe bis zum Versengen, und nun kamen sehr deutliche Worte zum Vorschein, welche an dem Rand der Zeilen standen.
„Ali Bey, siehst du, daß ich recht hatte?“
„Emir, du bist ein Zauberer!“
„Nein; aber ich weiß, wie man solche Schriften sichtbar machen kann.“
„O, Effendi, die Weisheit der Nemtsche ist sehr groß!“
„Hat der Mutessarif dieses Zauberstück nicht ebenso verstanden? Es gibt Stoffe, aus denen man eine Tinte machen kann, welche nach dem Schreiben verschwindet
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