13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
entgegenstreckte. Ich schlug ein.
„Ich nehme es an, denn ich weiß, daß du nicht lange zu warten haben wirst. Aber sage mir, ob du nach deiner Unterredung mit dem Kommandanten so viel Zeit hast, zu mir zu kommen!“
„Ich werde kommen und dann etwas schneller reiten. Wo wohnst du?“
„Ich wohne hier bei Selim Agha, dem Obersten der Arnauten.“
Er trat mit einer zustimmenden Kopfbewegung zurück, denn der Diener öffnete die Tür, um mich und Lindsay eintreten zu lassen.
Das Zimmer, in welches wir gelangten, war mit einer alten, verschossenen Papiertapete bekleidet und hatte an seiner hinteren Wand eine kaum fußhohe Erhöhung, die mit einem Teppich belegt war. Dort saß der Kommandant. Er war ein langer, hagerer Mann mit einem scharfen, wohl frühzeitig gealterten Angesicht. Sein Blick war verschleiert und nicht vertrauenerweckend. Er erhob sich bei unserem Eintritt und bedeutete uns durch eine Bewegung seiner Hände, zu beiden Seiten von ihm Platz zu nehmen. Mir fiel dies nicht schwer; Master Lindsay aber hatte einige Mühe, sich mit gebogenen Beinen in jene Stellung zu bringen, welche die Türken ‚Ruhen der Glieder‘ nennen. Wer sie nicht gewöhnt ist, dem schlafen die untern Extremitäten sehr bald ein, so daß man dann gezwungen ist, sich wieder zu erheben. Ich mußte also aus Rücksicht auf den Engländer dafür sorgen, daß die Unterhaltung nicht gar zu lange dauerte.
„Chosch geldin demek; ömriniz tschok ola – seid mir willkommen; euer Leben möge lang sein!“ empfing uns der Kommandant.
„Grad so, wie das deinige“, antwortete ich ihm. „Wir sind von fern her gekommen, um dir zu sagen, daß wir uns freuen, dein Angesicht zu sehen. Möge Segen in deinem Haus wohnen und jedes Werk gelingen, das du unternimmst!“
„Auch euch wünsche ich Heil und Erfolg in allem, was ihr tut! Wie heißt das Land, das deinen Tag gesehen hat, Emir?“
„Germanistan.“
„Hat es einen großen Sultan?“
„Es hat sehr viele Padischahs.“
„Und viele Krieger?“
„Wenn die Padischahs von Germanistan ihre Krieger versammeln, so sehen sie mehrere Millionen Augen auf sich gerichtet.“
„Ich habe dieses Land noch nicht gesehen, aber es muß ein großes und ein berühmtes sein, da du unter dem Schutz des Großherrn stehst.“
Dies war natürlich ein Wink, mich zu legitimieren. Ich tat es sogleich:
„Dein Wort ist richtig. Hier hast du das Bu-Djeruldu des Padischah!“
Er nahm es, drückte es an Stirn, Mund und Brust und las es.
„Hier lautet doch dein Name anders als Kara Ben Nemsi!“
Ah, das war fatal! Der Umstand, daß ich den mir von Halef gegebenen Namen hier beibehalten hatte, konnte uns schädlich werden; doch faßte ich mich schnell und meinte:
„Willst du mir einmal den Namen vorlesen, der hier auf dem Pergament steht?“
Er versuchte es, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. Und über den Namen des Heimatortes stolperte er vollends gar hinweg.
„Siehst du!“ erklärte ich. „Kein Türke kann einen Namen aus Germanistan richtig lesen und aussprechen; kein Mufti und kein Mullah bringt dies fertig, denn unsere Sprache ist sehr schwer und wird in einer anderen Schrift geschrieben, als die eurige ist. Ich bin Hadschi Kara Ben Nemsi; das wird dir auch dieser Brief beweisen, welchen der Mutessarif von Mossul mir für dich mitgegeben hat.“
Ich reichte ihm das Schreiben hin. Als er es gelesen hatte, war er befriedigt und gab mir das Bu-Djeruldu nach der gebräuchlichen Zeremonie zurück.
„Und dieser Effendi ist Hadschi Lindsay-Bey?“ fragte er dann.
„So ist sein Name.“
„Aus welchem Land ist er?“
„Aus Londonistan“, antwortete ich, um den bekannteren Namen von England zu vermeiden.
„Er hat gelobt, nicht zu sprechen?“
„Er spricht nicht.“
„Und er kann zaubern?“
„Höre, Mutesselim, von der Magie soll man nicht sprechen, wenigstens nicht zu jemand, den man noch nicht kennt.“
„Wir werden uns kennenlernen, denn ich bin ein großer Freund der Magie. Glaubst du, daß man Geld machen kann?“
„Ja, Geld kann man machen.“
„Und daß es einen Stein der Weisen gibt?“
„Es gibt einen, aber er liegt nicht in der Erde, sondern im menschlichen Herzen vergraben und kann also auch nicht durch die Scheidekunst bereitet werden.“
„Du sprichst sehr dunkel; aber ich sehe, daß du ein Kenner der Magie bist. Es gibt eine weiße und eine schwarze. Kennst du alle beide?“
Ich konnte nicht anders, ich mußte lustig antworten:
„O, ich kenne auch
Weitere Kostenlose Bücher