13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Kommandant zur Unterhaltung seiner Gäste engagiert hatte. Die Pfeifen wurden von neuem gestopft und angebrannt, die Tassen wieder gefüllt, und dann lauschte man andächtig den Worten des Erzählers.
Er stellte sich in die Mitte des Raumes und erzählte mit singender, lamentierender Stimme die tausendmal gehörten Geschichten von Abu-Szaber, dem schiefmäuligen Schulmeister, dem Liebessklaven Ganem, von Nureddin Ali und Bedreddin Hassan. Dafür erhielt er zwei Piaster und konnte gehen.
Dann erhob sich der Mutesselim, zum Zeichen, daß diese amüsante Soiree beendet sei. Man sagte sich einige fulminante Höflichkeiten, verbeugte sich gegenseitig und war dann froh, dem Kommandanten, dem Emir Hadschi Kara Ben Nemsi, dem Tabak und Kaffee und dem Medah glücklich entronnen zu sein. Ich hatte das nachträgliche Vergnügen, von Selim Agha unter dem Arm genommen und nach Hause begleitet zu werden.
„Emir, erlaube, daß ich deinen Arm nehme!“ bat er.
„Da hast du ihn!“
„Ich weiß, daß ich dies eigentlich nicht sollte, denn du bist ein großer Emir, ein weißer Effendi und ein Liebling des Propheten; aber ich habe dich lieb, und du mußt bedenken, daß ich kein gemeiner Arnaute, sondern ein sehr tapferer Agha bin, der diese Festung gegen fünfzigtausend Feinde verteidigen würde.“
„Das weiß ich. Auch ich habe dich lieb. Komm, laß uns gehen!“
„Wer ist das?“
Er deutete dabei auf eine Gestalt, welche hinter der Ecke gelehnt hatte und nun an uns vorüberstrich und schnell im Dunkel der Häuser verschwand. Ich erkannte den Mann. Es war der Arnaute, der uns angefallen hatte, doch zog ich es jetzt vor, ihn nicht zu erwähnen.
„Es war wohl einer deiner Arnauten.“
„Ja, aber ich habe doch wohl dieses Gesicht noch nicht gesehen.“
„Das Licht des Mondes täuscht.“
„Weißt du, Emir, was ich dir da jetzt sagen wollte?“
„Was?“
„Hm! Ich bin krank.“
„Was fehlt dir?“
„Ich leide an dem System der Nerven und des Blutes.“
„Selim Agha, ich glaube, du hast gehorcht!“
„O nein, Effendi! Aber ich mußte ja euer Gespräch hören, da ich als der nächste neben dem Mutesselim saß.“
„Jedoch so weit entfernt, daß du lauschen mußtest!“
„Soll man nicht lauschen, wenn man einer Stärkung bedarf?“
„Du willst sie doch nicht etwa von mir verlangen!“
„Wohl von dem alten Hekim? Der würde mir Fliegen geben!“
„Willst du sie in einer Arzneiflasche oder in einer großen Flasche?“
„Du willst sagen, in einigen großen Flaschen!“
„Wann?“
„Jetzt, wenn es dir gefällig ist!“
„So laß uns eilen, daß wir nach Hause kommen!“
„O nein, Emir, denn da ist mir Mersinah im Weg. Sie darf niemals wissen, daß ich ein krankes System der Verdauung habe!“
„Aber sie sollte es doch wissen, da sie dir die Speisen bereitet.“
„Sie würde die Medizin an meiner Stelle trinken. Ich weiß einen Ort, wo man diesen Trank in Ruhe und Sicherheit genießen kann.“
„Wo?“
„Effendi, ein solcher Ort ist allemal bei einem Juden oder bei einem Griechen. Hast du dies noch nicht bemerkt?“
„Sehr oft. Aber man wird dich sehen, und dann erfährt die ganze Stadt, daß du dich nicht ganz auf dein System verlassen kannst!“
„Nur wir beide werden einander sehen. Dieser Jude hat eine kleine Stube, in welche nicht einmal der Mond blicken kann.“
„So komm! Aber laß uns vorsichtig sein, daß wir nicht beobachtet werden.“
Also wieder einen Angriff auf meinen Geldbeutel! Übrigens war ich ganz vergnügt, den Agha als einen Moslem kennenzulernen, dem zwar der Wein, nicht aber die Arznei verboten ist, welche aus dem Blute der Trauben gekeltert wird. Ein kleines Räuschchen konnte mir Vorteile bringen.
Nachdem wir einige enge und winkelige Gäßchen passiert hatten, hielten wir vor einem kleinen, armseligen Häuschen, dessen Tür nur angelehnt war. Wir traten in den dunklen Flur, wo Selim in die Hände klatschte. Sogleich erschien eine krumme, mit einem echt israelitischen Gesicht ausgestattete Gestalt aus der Stube und leuchtete dem Agha in das Gesicht.
„Ihr seid es, Hoheit? Gott Abrahams, bin ich erschrocken, als ich sah im Haus stehen zwei Gestalten statt der Einigen, die ich gewohnt bin, alle Tage die Ehre zu haben, zu empfangen in meinem Haus mit Vergnügen und sehr tiefer Untertänigkeit!“
„Mach auf, Alter!“
„Mach auf? Was? Die Stube, welche ist die kleine oder die große?“
„Die kleine!“
„Bin ich auch sicher, daß dieser Mann,
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