13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
von mir und schärften mir nochmals ein, daß ich ja nach Gumri kommen möge. Dohub nahm das Paket des Dorfältesten mit, und ich war überzeugt, daß ich mir Freunde erworben hatte, auf die ich im Fall der Not wohl sicher rechnen könne.
Ich besuchte nun zunächst meine Patientin und wurde in dem vorderen Zimmer von ihren Eltern mit Freude empfangen.
„Wie geht es eurer Tochter?“ fragte ich.
„O, viel, viel besser bereits, Herr“, antwortete der Mann. „Deine Weisheit ist fast noch größer als unser Dank, denn sie kann bereits wieder vernünftig reden und hat uns auch gesagt, daß sie wirklich von den Kirschen des Todes gegessen habe. Und deine Güte ist noch größer, als wir verdienen und ahnten; denn ich habe erfahren, daß du kein Arzt bist, der für Lohn zu den Kranken kommt, sondern ein großer Emir, der ein Liebling des Großherrn und ein Freund des Mutessarif ist.“
„Wer sagte dies?“
„Die ganze Stadt weiß es bereits. Selim Agha ist deines Lobes voll; der Mutesselim hat dich mit Parade empfangen und auf deinen Befehl sogar Gefangene freilassen müssen. Einer sagt es dem andern, und so haben auch wir es erfahren.“
„Bist du ein Kind dieser Stadt? Ich sehe doch, daß du doch wohl eigentlich ein Kurde bist!“
„Du hast richtig geraten, Effendi. Ich bin ein Kurde von Lizan und für kurze Zeit nach Amadijah gezogen, weil ich mich daheim nicht sicher fühlte.“
„Nicht sicher? Warum?“
„Lizan gehört zu dem Gebiet von Tijari und wird meist von nestorianischen Christen bewohnt. Diese haben große Bedrückungen zu erleiden gehabt, so daß es seit kurzem unter ihnen gärt, als ob sie sich einmal aufraffen und Rache nehmen wollten. Weil ich nun kein Christ, sondern ein Mohammedaner bin, so habe ich mich in Sicherheit gebracht und kann hier mein Geschäft in Frieden treiben, bis die Gefahr vorüber ist.“
„Welches Geschäft hast du?“
„Ich kaufe die Galläpfelernten ein und versende sie nach dem Tigris, von wo aus sie dann weiter gehen.“
„Du bist ein Moslem, und doch ist die alte Mutter, welche ich bei dir sah, eine Christin. Wie kommt das?“
„Emir, das ist eine Geschichte, die mich und mein Weib sehr betrübt. Der Ahne war ein berühmter Melek (König, Fürst) der Tijaris und nahm die Lehre an von Christus, dem Gekreuzigten. Sein Weib, die Ahne, die du gesehen hast, tat dasselbe. Aber sein Sohn war ein treuer Anhänger des Propheten und trennte sich vom Vater. Dieser starb und der Sohn später auch, der die Würde eines Melek verloren hatte. Er war arm geworden um des Propheten willen, trotzdem sein Vater einer der reichsten Fürsten des Landes war. Seine Kinder blieben auch arm, und als ich mein Weib heiratete, die seine Enkelin ist, hatte sie kaum ein Kleid, um ihre Blöße zu bedecken. Aber wir liebten einander, und Allah segnete uns; wir wurden reich.“
„Und die Ahne?“
„Wir hatten sie nie gesehen, bis sie uns einst in Lizan aufsuchte. Sie zählte über hundert Jahre, glaubte, nun bald sterben zu müssen, und wollte ihre Kindeskinder einmal sehen. Seit jener Zeit hat sie uns jährlich zweimal besucht; aber wir wissen nicht, woher sie kommt und wohin sie geht.“
„Habt ihr sie nicht gefragt?“
„Einmal nur, aber da antwortete sie nicht und verschwand auf lange Zeit. Seitdem haben wir diese Frage nie wieder ausgesprochen. Sie ist jetzt bei der Kranken. Willst du diese sehen?“
„Ja; kommt!“
Ich fand die Patientin bedeutend besser. Die Röte war verschwunden; der Puls ging matt, aber ruhiger, und sie vermochte, wenn auch mit einiger Anstrengung, doch geläufiger zu sprechen, als da ich sie zuerst gesehen hatte, wo sie in der Betäubung fabulierte. Die Pupille hatte sich verengert, aber die Schlingbeschwerden waren noch vorhanden. Sie blickte mir neugierig entgegen und erhob die Hand, um mir zu danken.
Ich riet, mit dem Kaffee und Zitronensaft fortzufahren, und empfahl dabei ein heißes Fußbad; dann wollte ich wieder gehen. Da erhob sich die Gestalt der Alten, die bisher am unteren Ende des Lagers gekauert hatte.
„Herr“, sagte sie, „ich habe dich für einen Hekim gehalten. Verzeihe, daß ich dir Lohn versprach!“
„Mein Lohn ist die Freude, dir dein Enkelkind erhalten zu dürfen.“
„Gott hat deine Hand gesegnet, Emir. Er ist mächtig in dem Schwachen und barmherzig in dem Starken. Wie lange wird die Kranke noch leidend sein?“
„Einige Tage sind genug, um ihre gegenwärtige Schwäche zu überwinden.“
„Emir, ich lebe, aber
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