13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Gläubigen an dem System des Blutes und der Nerven untergehen und sterben sollen. Hast du den Koran aufmerksam gelesen?“
„Sehr aufmerksam.“
„So sage mir, ob du eine einzige Arznei gefunden hast, die darin verboten wird!“
„Keine!“
„Siehst du! Also willst du mir eine Anregung geben?“
„Ich habe die Sachen nicht, welche ich zur Bereitung derselben brauche.“
„Du scherzest wieder, denn du hast sie!“
„Woher wolltest du dies wissen?“
„Dein Diener hat heute solche Dinge bei einem Juden gekauft.“
Ah, der Mutesselim ließ uns also beobachten! Er wußte bereits, daß der kleine Hadschi für den Engländer Wein geholt hatte. Wir mußten also vorsichtig sein, wenn unser Vorhaben nicht verraten werden sollte.
„Es gehört mehr dazu, als das ist, was mein Diener kaufte“, antwortete ich.
„Das Wenige ist besser als gar nichts. Eben weil ich sehr schwach bin, darfst du nicht viele Dinge zusammenmischen. Willst du mir eine einfache Stärkung senden?“
„Gut; du sollst sie haben!“
„Wieviel?“
„Eine Arzneiflasche voll.“
„Emir, das ist viel zuwenig! Ich bin Kommandant und ein sehr langer Mann; der Trank wird alle sein, ehe er durch den ganzen Körper gekommen ist. Siehst du dies ein?“
„Ich sehe es ein, darum werde ich dir eine große Flasche senden.“
„Eine? Nimmt ein Kranker nur einmal Arznei?“
„Nun wohl, du sollst zwei haben!“
„Laß mich täglich einmal nehmen, und zwar eine Woche lang!“
„Mutesselim, ich denke, du wirst dann zu stark werden!“
„O, Emir, das hast du nicht zu befürchten.“
„So wollen wir es denn mit einer Woche versuchen?“
„Aber eine Bitte erfüllst du mir dabei.“
„Welche?“
„Ein Mutesselim darf seinen Untergebenen nie wissen lassen, daß er ein krankes System der Nerven und der Verdauung hat.“
„Das ist richtig!“
„Also wirst du diese Arznei so gut einpacken, daß niemand sieht, daß sie in Flaschen enthalten ist.“
„Ich werde dir diesen Wunsch erfüllen.“
„Hast du auch kranke Nerven, Emir?“
„Nein. Warum sollte ich welche haben?“
„Weil du dir dieses Mittel kaufen ließest.“
„Es war nicht für mich.“
„Für wen sonst? Für den stummen Hadschi Lindsay-Bey?“
„Du sagtest vorhin, daß ein Mutesselim nicht wissen lassen dürfe, daß er ein krankes System habe. Es gibt auch andere Männer, welche dies nicht wissen lassen dürfen.“
„Oder war es für den dritten Mann, der sich gar nicht sehen läßt? Er muß sehr krank sein, weil er nicht aus seiner Stube kommt!“
Das klang wie ein Verhör. Er wollte sich nach Mohammed Emin erkundigen.
„Ja, er ist krank“, antwortete ich.
„Welche Krankheit hat er?“
„Eine Krankheit des Herzens.“
„Kannst du ihn heilen?“
„Ich hoffe es.“
„Ich bedaure, daß du ihn wegen seiner Krankheit nicht mitbringen konntest. Es ist ein Freund von dir?“
„Ein sehr guter Freund.“
„Wie lautet sein Name?“
„Er hat mich gebeten, ihn dir heute noch nicht zu nennen. Du kennst ihn sehr gut, und er will dir eine Überraschung bereiten.“
„Ah!“ meinte er neugierig. „Eine Überraschung? Wann?“
„Sobald seine Krankheit geheilt ist.“
„Wie lange dauert dies noch?“
„Nur einige Tage.“
„Soll ich ihn nicht lieber besuchen, da er nicht zu mir kommen kann?“
„Dieser Besuch würde ihn zu sehr aufregen. Herzkrankheiten sind lebensgefährlich; das wirst du wohl auch wissen?“
„So muß ich warten.“
Wieder versank er in Schweigen; dann begann er von neuem:
„Weißt du, daß du mir ein Rätsel bist?“
„Du mir auch.“
„Warum?“
„Weil du mich rätselhaft findest. Sage mir, ob es bereits jemand gewagt hat, so klar und offen, so aufrichtig und ohne Furcht wie ich mit dir zu reden!“
„Das ist wahr, Effendi! Ich wollte es auch keinem andern raten! Du aber bist ein Emir, stehst unter dem Schatten des Großherrn und bist mir sehr gut von dem Mutessarif empfohlen; da dulde ich es.“
„Und bei all dieser Furchtlosigkeit bin ich dir ein Rätsel?“
„Ja.“
„Ich will dir helfen, es zu lösen. Frage mich!“
„Ich möchte vor allen Dingen wissen, wie du in den Schutz des Großherrn gekommen bist, wie der Großherr über mich denkt und was er für Pläne hat mit dir und mir. Aber dazu ist heute keine Zeit. Wir werden davon morgen reden, wenn wir allein sind.“
Das war mir lieb. Auch hörte jetzt die Unterhaltung auf, da ein Medah (Märchenerzähler) eingelassen wurde, welchen der
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