13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
lange kann ich sie behalten?“
„Sie sind ganz dein.“
„Also vorgestern abend ist der Makredsch in Mungayschi gewesen?“
„Ja.“
„So könnte er heute hier ankommen, und ich brauche diese Schreiben nur für diesen Tag. Kannst du so lange warten?“
„Ich warte so lange, wie du mir befiehlst, Emir!“
„So gehe jetzt zwei Türen weiter! Dort wirst du Bekannte treffen, nämlich Hadschi Halef und den Buluk Emini.“
Die Nachricht, daß der Makredsch nach Amadijah kommen könne, hatte mich zunächst mit Besorgnis erfüllt; sobald ich mich aber in dem Besitz der beiden Schriftstücke sah, mußte die Besorgnis schwinden, und ich konnte seinem Kommen mit Ruhe entgegensehen. Ja, glaubte bereits, daß die Kunde von der Absetzung des Mutessarif eine Freilassung des gefangenen Haddedihn zur Folge haben könne, kam aber von dem Gedanken zurück, als ich las, daß die Feindseligkeiten gegen die Araber nicht als eine Privatsache des Mutessarif, sondern auf Befehl der Pforte unternommen seien.
Am Nachmittag trat die ‚Myrte‘ in meine Stube.
„Effendi, willst du mit in das Gefängnis?“
Das kam mir erwünscht, aber ich mußte doch erst mit Mohammed Emin reden. Darum sagte ich:
„Ich habe jetzt keine Zeit.“
„Du hast es mir aber doch versprochen und auch gesagt, daß du den Gefangenen erlauben willst, einiges von mir zu kaufen!“
Der Rose von Amadijah schien sehr viel an dem Gewinn zu liegen, den dieser kleine Handel ihr jedenfalls einbrachte.
„Ich würde mein Wort halten; aber ich habe leider erst in einer Viertelstunde Zeit.“
„So warte ich, Emir! Aber wir können doch nicht mitsammen gehen!“
„Ist Selim Agha dabei?“
„Nein. Er hat jetzt Dienst bei dem Mutesselim.“
„So befiehl dem Sergeanten, daß er mir öffnen möge. In diesem Fall kannst du bereits jetzt gehen, und ich werde nachkommen.“
Sie verschwand mit heiterem Angesicht. Sie schien es gar nicht der Mühe wert zu halten, daran zu denken, ob der Sergeant mir den Zutritt erlauben werde, da ich doch weder ein Recht dazu hatte, noch die Erlaubnis seines Vorgesetzten nachweisen konnte. Natürlich ging ich sofort zu Mohammed Emin und setzte ihn von meinem bevorstehenden Besuch im Gefängnis in Kenntnis. Ich empfahl ihm, zur Flucht bereit zu sein und zunächst für seinen Sohn durch Halef heimlich einen türkischen Anzug kaufen zu lassen. Dann brannte ich mir einen Tschibuk an und stieg mit gravitätischen Schritten durch die Gassen. Als ich das Gefängnis erblickte, sah ich die Tür desselben offen. Der Sergeant stand unter derselben.
„Sallam!“ grüßte ich kurz und würdevoll.
„Sallam aaleïkum!“ antwortete er. „Allah segne deinen Eintritt in dieses Haus, Emir! Ich habe dir viel Dank zu sagen.“
Ich trat ein und verschloß die Tür wieder.
„Dank?“ fragte ich nachlässig. „Wofür?“
„Selim Agha war hier. Er war sehr zornig. Er wollte uns peitschen lassen, aber endlich sagte er, daß wir Gnade finden sollen, weil du für uns gebeten hast. Sei so gütig, mir zu folgen.“
Wir stiegen die Treppe empor, welche zu finden und zu passieren mir der Agha gestern so viele Mühe gemacht hatte. Auf dem Gang stand Mersinah mit einem blechernen Kessel, welcher eine Mehlbrühe enthielt, die ganz das Ansehen hatte, als ob sie aus dem Spülwasser ihrer Küche und Schlafstätte bestehe, und auf dem Boden lag das Brot, welches ihre zarten Hände gebacken hatten. Es war einst auch Mehlwasser gewesen, hatte aber durch Feuer und anhaftende Kohlenreste eine feste Gestalt bekommen. Neben ihr standen die Arnauten, mit leeren Gefäßen in den Händen, die von einem Scherbenhaufen aufgelesen zu sein schienen. Sie verbeugten sich bis zur Erde herab, blieben aber aus Ehrfurcht stumm.
„Emir, befiehlst du, daß wir beginnen sollen?“ fragte die ‚Myrte‘.
„Ja.“
Sofort wurde die erste Tür geöffnet. Der Raum, in welchen ich blickte, war auch ein Loch, doch lag der Boden desselben mit dem Gang in gleicher Höhe. Ein Türke lag darin. Er erhob sich nicht und würdigte uns keines Blickes.
„Gib ihm zwei Portionen, denn es ist ein Osmanly!“ befahl der Sergeant.
Der Mann erhielt zwei Schöpflöffel voll Brühe in einem größeren Napf und ein Stück Brot dazu. In der nächsten Zelle lag wieder ein Türke, welche die gleiche Portion erhielt. Der Insasse des dritten Loches war ein Kurde.
„Dieser Hund erhält nur eine Portion, denn er ist ein Mann aus Balahn!“ (Ein Dorf der Kazikahnkurden.)
Das war ja eine ganz
Weitere Kostenlose Bücher