13 - Wo kein Zeuge ist
was ich meine.«
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Als Detective Constable Barbara Havers am nächsten Morgen in die Tiefgarage von New Scotland Yard fuhr, war sie bereits bei der vierten Zigarette angelangt, wobei sie die auf dem Weg vom Bett zur Dusche nicht mitzählte. Seit sie ihre Wohnung verlassen hatte, rauchte sie in einem fort, und die wie üblich aufreibende Fahrt von Nordlondon hierher hatte nicht gerade dazu beigetragen, ihre Nerven zu beruhigen oder ihre Laune zu bessern.
Sie war Auseinandersetzungen gewöhnt. Sie hatte sich bislang noch mit jedem gestritten, mit dem sie je zusammengearbeitet hatte, sie war sogar bei der Mutter aller Auseinandersetzungen, die sie ihren Dienstgrad und beinah ihren Job gekostet hatte, so weit gegangen, auf eine vorgesetzte Beamtin zu schießen. Aber nichts, was sie in ihrer holprigen Karriere bislang erlebt hatte - ganz zu schweigen von ihrem bisherigen Leben -, hatte sie so getroffen wie die fünfminütige Unterhaltung mit ihrem Nachbarn.
Sie hatte nicht die Absicht gehabt, sich mit Taymullah Azhar auf einen Streit einzulassen. Sie hatte lediglich eine Einladung an seine Tochter aussprechen wollen. Sorgfältige Recherche - oder das, was in ihrem Fall als sorgfältige Recherche herhalten musste, nämlich der Erwerb einer Ausgabe vom What's On wie ein Tourist, der die Queen sehen wollte - hatte zu der Erkenntnis geführt, dass eine Einrichtung namens Jeffrye's Museum Einblick in die Sozialgeschichte gewährte, indem dort Wohnzimmer aus verschiedenen Jahrhunderten ausgestellt wurden. Wäre es nicht wunderbar für Hadiyyah, Barbara bei einem Besuch dorthin zu begleiten, damit ihr neugieriger kleiner Verstand einmal mit etwas anderem gefüttert wurde als der Betrachtung von Nabelpiercings, die weibliche Popstars heutzutage trugen? Es war ein Ausflug von Nord- nach Ostlondon. Kurz gesagt, es wäre verdammt lehrreich. Wie konnte Azhar, selbst ein Bildungsvermittler höchsten Ranges, dagegen Einwände haben?
Er konnte, wie sich herausstellte. Als Barbara auf dem Weg zum Auto an seine Tür geklopft hatte, hatte er geöffnet und höflich gelauscht, wie es seine Gewohnheit war, während die Düfte eines ausgewogenen und nahrhaften Frühstücks aus der Wohnung geweht kamen wie eine Anklage gegen Barbaras eigenes Morgenritual, bestehend aus Pop-Tarts und Players.
»Es wären zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn Sie so wollen«, hatte Barbara zum Abschluss ihrer Einladung gesagt und sich gleichzeitig gefragt, woher, zum Teufel, zwei Fliegen mit einer Klappe gekommen war. »Ich meine, das Museum liegt in einer Reihe alter, gestifteter Häuser für die Armen, das heißt, es gibt sowohl historische als auch soziale Architektur zu bewundern. An so etwas laufen Kinder heutzutage doch vorbei, ohne zu ahnen, was es ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wie auch immer, ich dachte, es wäre vielleicht ...« Was?, fragte sie sich selbst. Eine gute Idee? Eine gute Sache für Hadiyyah? Ein Ende des Hausarrests?
Natürlich war es Letzteres. Barbara war einmal zu oft an Hadiyyahs ernstem, kleinem, eingesperrtem Gesicht am Fenster vorbeigekommen. Genug war, verdammt noch mal, genug, dachte sie. Azhar hatte seinen Standpunkt klar gemacht. Er musste ihn dem armen Kind ja nicht mit dem Trichter verabreichen.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Barbara«, hatte Azhar mit der typischen, ernsten Höflichkeit gesagt. »Doch in Anbetracht der Umstände, in denen Hadiyyah und ich uns derzeit befinden ...«
In dem Moment war sie hinter ihm erschienen, weil sie offenbar ihre Stimmen gehört hatte. »Barbara! Hallo!«, rief sie und spähte hinter der schmalen Gestalt ihres Vaters hervor. »Dad, kann Barbara nicht reinkommen?«, bat sie. »Wir frühstücken gerade, Barbara. Dad hat French Toast und Rühreier gemacht. Ich ess das mit Sirup. Er isst nur Joghurt.« Sie rümpfte die Nase, aber offenbar nicht über den Frühstücksgeschmack ihres Vaters, denn sie fuhr fort: »Barbara, hast du etwa schon geraucht? Dad, kann Barbara nicht reinkommen?«
»Kann leider nicht, Herzchen«, sagte Barbara hastig, damit Azhar keine Einladung aussprechen musste, die er nicht aussprechen wollte. »Ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Ich mache London sicher für Frauen, Kinder und kleine pelzige Tiere. Du weißt ja, wie es läuft.«
Hadiyyah hüpfte von einem Fuß auf den anderen. »Ich habe eine gute Note in meiner Matheprüfung bekommen«, vertraute sie ihr an. »Dad hat gesagt, er ist stolz, als er das gesehen hat.«
Barbara schaute Azhar an. Sein
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