13 - Wo kein Zeuge ist
...«
»Bei allem Respekt, Dr. Robson, aber Ihr Profiling hat uns bisher noch nichts gebracht. Keinen entscheidenden Hinweis, keinen Schritt näher zum Täter.«
»Sind Sie sicher?« Ehe Lynley antworten konnte, lehnte Robson sich vor und fuhr fort. Seine Stimme klang sanft: »Ich könnte mir niemals vorstellen, Ihre Arbeit zu machen. Es muss aufreibender sein, als irgendjemand sich ausmalen kann. Aber Sie dürfen sich wegen dieses neuen Todesfalles keine Vorwürfe machen, Superintendent. Sie tun Ihr Bestes. Mehr kann niemand von Ihnen verlangen, also sollten auch Sie selbst nicht mehr von sich erwarten. Das führt geradewegs zum Zusammenbruch.«
»Ist das eine professionelle Einschätzung?«, fragte Lynley sarkastisch.
Robson ignorierte den Tonfall und beantwortete die Frage. »Absolut. Machen Sie sich meine professionellen Einschätzungen zunutze. Lassen Sie mich den Tatort sehen. Erlauben Sie mir, Ihnen etwas an die Hand zu geben, das Ihnen helfen kann. Superintendent, der Zwang des Psychopathen, zu morden, wird immer stärker. Er eskaliert mit jedem Verbrechen, er wird niemals nachlassen. Doch um Befriedigung zu finden, braucht er von Mal zu Mal mehr von dem, was immer es ist, das er im Tatverlauf tut, um sein Verlangen zu stillen. Verstehen Sie mich richtig: Es besteht eine große Gefahr für junge Männer, Teenager, kleine Kinder ... wir wissen es nicht. Also lassen Sie mich um Himmels willen helfen.«
Lynley hatte Robson im Rückspiegel beobachtet, Havers hatte sich umgedreht und den Psychologen angeschaut, während er sprach. Er sah aus, als sei er von der Leidenschaft seiner Worte selbst erschüttert, und nachdem er geendet hatte, wandte er den Blick ab und schaute aus dem Fenster.
Schließlich fragte Lynley: »Warum nehmen Sie es so persönlich, Dr. Robson?«
Robson blickte nach links auf eine Eibenhecke, von der Regen tropfte und sich in Pfützen auf dem Pflaster sammelte. Er sagte: »Tut mir Leid. Ich kann nicht ertragen, was Kindern unter dem Deckmantel der Liebe oder des Spiels oder der Disziplin angetan wird. Oder was auch immer.« Dann schwieg er. Nur das Geräusch der Wischerblätter auf der Frontscheibe und das Surren des Motors unterbrachen die Stille. Schließlich fuhr er fort: »In meinem Fall war es ein Onkel mütterlicherseits. Er nannte es Ringen. Aber das war es nicht. Das ist es so gut wie nie zwischen einem Erwachsenen und einem Jungen, wenn der Erwachsene die treibende Kraft ist. Aber das versteht ein Kind natürlich nicht.«
»Es tut mir Leid«, sagte Lynley. Nun wandte auch er sich um und sah den Psychologen direkt an. »Aber vielleicht macht Sie das weniger objektiv, als ...«
»Nein. Glauben Sie mir, es macht mich zu jemandem, der genau weiß, worauf man achten muss«, entgegnete Robson. »Also, lassen Sie mich den Tatort sehen. Ich sage Ihnen, was ich glaube und was ich weiß. Die Entscheidung, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, liegt bei Ihnen.«
»Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
»Gott verflucht . .. «
»Der Junge ist bereits abtransportiert, Dr. Robson«, unterbrach Lynley. »Das Einzige, was Sie noch sehen könnten, sind eine umgestürzte Buche und eine Erdmulde.«
Robson ließ sich in die Sitzpolster zurücksinken. Er schaute auf die Wood Lane hinaus, wo ein Krankenwagen entlangkam und an der Polizeiabsperrung hielt. Er fuhr ohne Warnlicht und Sirene. Einer der Constables ging auf die Straße hinaus und stoppte den Verkehr, damit der Krankenwagen abbiegen konnte. Gemächlich rollte er näher; er hatte keine Eile, seine Fracht ins Krankenhaus zu bringen. Das gab den Fotografen Gelegenheit, den Moment für die Zeitungen einzufangen. Vielleicht war es dieser Anblick, der Robson zu seiner nächsten Frage bewog: »Werden Sie mich wenigstens die Fotos sehen lassen?«
Lynley überlegte. Der Polizeifotograf war schon fertig gewesen, als er und Havers am Tatort eingetroffen waren, und ein Videograf hatte den Leichnam, die Umgebung und die Aktivitäten am Tatort aufgenommen, als sie den Abhang herunterkamen. Der KTU-Van stand nicht weit von der Stelle entfernt, wo sie jetzt parkten. Zweifellos hatten sie dort drin bereits eine fertige Dokumentation der Tatortaufnahmen, die Robson sich anschauen konnte.
Es konnte im Moment ja nicht schaden, wenn der Profiler sich das Material ansah, das vorlag: die Videoaufzeichnung, Digitalfotos oder was immer, die Mordkommission bislang zusammengetragen hatte. Das könnte ein Kompromiss sein zwischen dem, was Hillier
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