13 - Wo kein Zeuge ist
Wunder vollbracht.«
Hillier nahm an seinem Schreibtisch Platz und betrachtete Lynley über die zusammengelegten Fingerspitzen hinweg. »Lassen Sie uns nicht über meinen Schwager sprechen.«
»Ich glaube, das müssen wir«, entgegnete Lynley. »Mir wird jetzt erst bewusst, welche Anstrengungen er unternommen haben muss, um Sie in Schach zu halten.«
»Nehmen Sie sich in Acht.«
»Ich glaube nicht, dass es einem von uns nützt, wenn ich das tue.«
»Sie sind nicht unersetzlich.«
»Im Gegensatz zu Webberly? Weil er Ihr Schwager ist und Ihre Frau niemals zugelassen hätte, dass Sie den Mann ihrer Schwester feuern? Da sie doch genau wusste, dass der Mann ihrer Schwester das Einzige war, was zwischen Ihnen und dem Ende Ihrer Karriere stand?«
»Das reicht.«
»Sie machen bei dieser Ermittlung alles vollkommen falsch. Wahrscheinlich waren Sie immer schon so, und nur Webberly stand zwischen Ihnen und der Enthüllung Ihrer ...«
Hillier sprang auf. »Ich sagte, das reicht!«
»Aber jetzt ist er nicht hier, und Sie sind bloßgestellt.
Und mir bleibt nur die Wahl, uns alle hängen zu sehen oder lediglich Sie. Also, was erwarten Sie, welchen Kurs ich einschlagen soll?«
»Ich erwarte, dass Sie Ihre Befehle befolgen. Umgehend und exakt so, wie sie erteilt werden.«
»Nicht, wenn sie sinnlos sind.« Lynley versuchte, sich zu mäßigen. Es gelang ihm, in ruhigerem Tonfall fortzufahren: »Sir, ich kann Ihre Einmischung nicht länger dulden. Ich verlange, dass Sie entweder aufhören, in der Ermittlung herumzupfuschen, oder ich muss ...« Lynley brach mitten im Satz ab. Es war der Ausdruck von Befriedigung, der für einen Moment über Hilliers Gesicht glitt, der ihn so abrupt innehalten ließ.
Mit einem Mal wurde ihm klar, dass seine eigene Kurzsichtigkeit ihn bewogen hatte, in Hilliers Falle zu tappen. Und diese Erkenntnis ließ ihn auch verstehen, warum Superintendent Webberly seinem Schwager gegenüber immer deutlich gemacht hatte, welcher seiner Untergebenen ihm nachfolgen sollte, selbst wenn eine solche Nachfolge nur vorübergehend war. Lynley konnte seinen Job jederzeit an den Nagel hängen, ohne Existenznöte fürchten zu müssen. Die anderen nicht. Er verfügte über ein Einkommen, das unabhängig von Scotland Yard war. Für die anderen DIs bedeutete der Polizeidienst Brot auf dem Tisch und ein Dach über dem Kopf. Die Umstände würden sie zwingen, sich Hilliers Anweisungen wieder und wieder zu unterwerfen, da keiner von ihnen es sich leisten konnte, gefeuert zu werden. Webberly hatte Lynley als den Einzigen gesehen, der zumindest eine geringe Chance hatte, ein Mindestmaß an Kontrolle über seinen Schwager auszuüben.
Gott wusste, er schuldete dem Superintendent diesen Gefallen, das begriff Lynley jetzt. Webberly hatte oft genug genau das für ihn getan.
»Oder?« Hilliers Stimme klang gefährlich.
Lynley suchte eine neue Richtung. »Sir, wir haben schon wieder einen weiteren Mord, mit dem wir uns herumschlagen müssen. Sie können nicht verlangen, dass wir uns obendrein auch noch um Journalisten kümmern.«
»Ja, ein weiterer Mord«, sagte Hillier. »Sie haben einen direkten Befehl missachtet, Superintendent, und ich hoffe für Sie, dass Sie eine gute Erklärung haben.«
Sie waren schließlich bei seiner Weigerung angekommen, Hamish Robson an den Tatort zu lassen. Lynley versuchte nicht, das Thema zu umgehen, indem er ein anderes anschnitt. »Ich habe den Constables an der Absperrung Anweisung erteilt, niemanden ohne Polizeiausweis durchzulassen. Robson hatte keinen, und die Beamten wussten nicht, wer er war. Er hätte alles Mögliche sein können, insbesondere ein Reporter.«
»Und als Sie ihn gesehen haben? Als Sie mit ihm gesprochen haben? Als er darum gebeten hat, die Fotos, das Video und den Tatort zu sehen ...?«
»Ich habe mich geweigert. Aber das wissen Sie ja schon, sonst würden wir nicht darüber reden.«
»Ganz recht. Und jetzt werden Sie sich anhören, was Robson zu sagen hat.«
»Sir, Sie müssen mich entschuldigen, ich habe ein Team, mit dem ich mich besprechen muss, und jede Menge Arbeit, die wichtiger ist als ...«
»Meine Autorität übersteigt Ihre«, erwiderte Hillier.
»Und ich erteile Ihnen hiermit einen ausdrücklichen Befehl.«
»Das ist mir bewusst«, sagte Lynley. »Aber da er die Fotos nicht gesehen hat, können wir keine Zeit damit verschwenden ...«
»Er hat das Video gesehen und den vorläufigen Bericht gelesen.« Hillier lächelte dünn, als er Lynleys
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