13 - Wo kein Zeuge ist
nach einer Lichtquelle stolperten sie durch einen Raum, der ein Wohnzimmer zu sein schien, das von einem Einbrecher gründlich verwüstet worden war. Doch als Havers verkündete: »Ich hab Licht gefunden, Sir«, und eine Tischlampe einschaltete, erkannte Lynley, dass der Zustand der Wohnung allein auf Schlampigkeit zurückzuführen war.
»Was würden Sie sagen, was das für ein Geruch ist?«, fragte Havers.
»Ungewaschener Männerkörper, marode Abwasserrohre, Sperma und schlechte Belüftung.« Lynley streifte Latexhandschuhe über, und sie folgte seinem Beispiel. »Der Junge war hier«, sagte er. »Das kann ich fühlen.«
»Der auf dem Foto?«
»Davey Benton. Was sagt Minshall aus?«
»Schweigen im Walde. Ich dachte, wir kriegen ihn mit den Überwachungskameras vom Markt, aber die Kollegen von der Holmes-Street-Wache haben mir erzählt, dass das nur Attrappen sind. Keine Filme drin. Es gibt da allerdings einen Typen namens John Miller, der vielleicht ein Foto von Davey identifizieren könnte. Falls er überhaupt redet.«
»Warum sollte er nicht?«
»Ich glaube, er steht selbst auf kleine Jungs. Ich hatte den Eindruck, wenn er Minshall verpfeift, verpfeift Minshall ihn. Eine Hand wäscht die andere.«
»Wundervoll«, murmelte Lynley grimmig. Er kämpfte sich durch den Raum und fand eine weitere Lichtquelle neben einem abgewetzten Sofa. Er schaltete die Lampe ein und ließ den Blick durch den Raum schweifen, um festzustellen, was sie hier hatten.
»Die reinste Fundgrube an Dreck«, sagte Havers.
Er konnte nicht widersprechen. Ein Computer, der zweifellos einen Internetanschluss hatte. Ein Videorekorder mit reihenweise Kassetten darunter. Zeitschriften voll drastischer Sexdarstellungen, andere mit SM-Fotos. Ungespültes Geschirr. Zaubereizubehör. Sie durchkämmten all dies von entgegengesetzten Enden des Zimmers aus, bis Havers schließlich sagte: »Sir? Die hier hab ich unter dem Schreibtisch auf dem Fußboden gefunden. Denken Sie das Gleiche wie ich?« Was sie ihm hinhielt, schienen mehrere Geschirrtücher zu sein. Sie waren an manchen Stellen steif und verklebt, als seien sie am Computer zu Zwecken benutzt worden, die nichts mit dem Abtrocknen von Tellern und Gläsern zu tun hatten.
»Er ist ein Früchtchen, was?« Lynley trat in eine Schlafnische, wo ein Bett stand, dessen Laken im gleichen Zustand zu sein schienen wie die Geschirrtücher. Diese Wohnung war eine Schatzkiste an DNA-Spuren. Wenn Minshall sich hier mit irgendjemand anderem als dem Computer und seiner Hand vergnügt hatte, würden sie genügend Beweise dafür finden, um ihn jahrzehntelang einzusperren, falls diese Person ein minderjähriger Junge gewesen war.
Auf dem Fußboden neben dem Bett lag noch eine Zeitschrift, das Papier porös vom ständigen Befingern. Lynley hob sie auf und blätterte sie rasch durch. Obszöne Fotos von Frauen, nackt, die Beine gespreizt. Lockender Blick, feuchte Lippen, die Finger - massierend, stimulierend, eindringend. Es war Sex, reduziert auf pure Befriedigung und nichts sonst. Es deprimierte Lynley zutiefst.
»Sir, ich hab was.«
Lynley kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo Havers den Schreibtisch durchsucht hatte. Sie hatte einen Stapel Polaroidbilder gefunden, den sie ihm reichte.
Sie waren nicht pornographisch. Vielmehr zeigte jedes einen Jungen in Zauberermontur: Umhang, Hut, schwarze Hose und Hemd. In manchen Fällen ein Zauberstab unter dem Arm, um den Effekt zu verstärken. Sie alle schienen den gleichen Trick auszuführen, der mit Tüchern und einer Taube zu tun hatte. Es waren dreizehn Jungen insgesamt, weiße, schwarze und jede denkbare Mischung. Davey Benton war nicht dabei. Die Eltern und Verwandten der toten Jungen würden die Fotos anschauen müssen, um festzustellen, ob einer von ihnen darunter war.
»Was hat er zu dem Foto in seinem Van gesagt?«, fragte Lynley, nachdem er die Polaroids ein zweites Mal durchgesehen hatte.
»Er weiß nicht, wie es dorthin gekommen ist«, antwortete Havers. »Er hat es nicht in seinen Wagen gelegt. Er ist vollkommen unschuldig. Es ist irgendein Missverständnis. Bla, bla und nochmals bla.«
»Es wäre möglich, dass er die Wahrheit sagt.«
»Sie nehmen mich auf den Arm.«
Lynley sah sich in der Wohnung um. »Bislang haben wir hier keine Kinderpornografie gefunden.«
»Bislang«, erwiderte Havers und zeigte auf das Videogerät und die dazugehörigen Kassetten. »Sie können mir nicht weismachen, dass das Disney-Filme sind, Sir.«
»Stimmt. Aber erklären
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