13 - Wo kein Zeuge ist
Riegel zu öffnen, und dann rief eine helle Stimme: »Mummy! Die Klingel! Hast du gehört?«
Gleich darauf sagte ein Mann: »Gillian, geh da weg. Ich hab dir schon tausend Mal gesagt, dass du nicht an die Tür gehen sollst ...« Er öffnete mit einem Ruck. Ein kleines Mädchen in Stepptanzschuhen aus schwarzem Lackleder, Nylonstrümpfen und einem Ballerinatutu spähte hinter seinem Bein hervor, einen Arm um seinen Oberschenkel geschlungen.
Nkata hielt seine Dienstmarke schon in der Hand.
Der Mann würdigte sie keines Blickes. »Ich hab Sie im Fernsehen gesehen«, sagte er. »Ich bin Ronald X. Ritucci. Kommen Sie rein. Haben Sie was dagegen, wenn wir in die Küche gehen? Gail ist noch dabei, das Baby zu füttern. Unser Aupair-Mädchen liegt leider mit der Grippe im Bett.«
Nkata sagte, die Küche sei ihm recht, und folgte Ritucci dorthin, nachdem dieser die Haustür geschlossen, verriegelt und nochmals überprüft hatte. Sie kamen in eine moderne Küche auf der Rückseite des Hauses, wo ein Esstisch aus hellem Holz mit passenden Stühlen in einem vollständig verglasten Erker standen. Eine gehetzt wirkende Frau in Büromontur versuchte, einem vielleicht einjährigen Kind irgendetwas einzulöffeln. Das musste Gail sein, die sich in Abwesenheit ihres Aupairs heldenhaft bemühte, ihre Mutterpflichten zu erfüllen, ehe sie zur Arbeit hastete.
Genau wie ihr Mann sagte sie: »Sie waren im Fernsehen.«
Wie eine helle Glocke ertönte Gillians Stimme: »Er ist ein Schwarzer, Daddy, oder?«
Ritucci wirkte zerknirscht, als ähnele die Erwähnung von Nkatas ethnischer Zugehörigkeit der einer anstößigen Krankheit, die höfliche Menschen niemals thematisierten. »Gillian!«, sagte er. »Das reicht jetzt.« Und an Nkata gewandt: »Eine Tasse Tee? Ist im Handumdrehen fertig. Kein Problem.«
Nkata lehnte dankend ab. Er habe gerade erst gefrühstückt und brauche nichts. Dann wies er auf einen der Kieferstühle und fragte: »Darf ich ...?«
»Natürlich«, antwortete Gail Ritucci.
»Was haben Sie denn gegessen?«, wollte Gillian wissen. »Ich hatte gekochtes Ei und Toaststreifen.«
Ihr Vater ermahnte sie: »Gillian, was habe ich dir gerade gesagt?«
Nkata antwortete dem Kind: »Eier, aber keine Toaststreifen.
Meine Mum meint, ich bin zu alt dafür, aber ich schätze, sie würde sie mir machen, wenn ich höflich genug darum bitte. Ich hatte auch noch Würstchen, Pilze und Tomaten.«
»So viel?«, fragte das kleine Mädchen.
»Ich bin ein Junge im Wachstum.«
»Darf ich auf Ihrem Schoß sitzen?«
Damit war anscheinend die Grenze erreicht. Entsetzt und wie aus einem Mund riefen beide Eltern den Namen des Kindes, und ihr Vater hob sie auf den Arm und trug sie eilig hinaus. Die Mutter schob einen Löffel Brei in den offenen Mund des Kleinkinds und sagte zu Nkata: »Sie ist ... Es hat nichts mit Ihnen zu tun, Sergeant. Wir versuchen, ihr beizubringen, Fremden gegenüber zurückhaltend zu sein.«
»In der Hinsicht können Eltern niemals vorsichtig genug sein«, erwiderte Nkata und zückte seinen Stift, um sich Notizen zu machen.
Ritucci kam bald zurück, nachdem er sein älteres Kind irgendwo im Haus außer Sichtweite deponiert hatte. Genau wie seine Frau entschuldigte er sich, und Nkata wünschte mit einem Mal, er könnte irgendetwas tun, um ihnen ihr Unbehagen zu nehmen.
Er kam auf ihren Anruf bei Crimewatch zurück. »Sie hatten einen jungen Einbrecher mit Make-up gemeldet ...?«
Gail Ritucci erzählte den ersten Teil der Geschichte, reichte Löffel und Brei ihrem Mann, der das Füttern ihres jüngeren Kindes übernahm. Sie waren an jenem Abend unterwegs gewesen, berichtete sie, hatten mit alten Freunden aus Fulham und deren Kindern zusammen gegessen. Als sie nach Clapham zurückkamen, war in ihrer Straße ein Van vor ihnen hergefahren, sehr langsam, und zuerst hatten sie geglaubt, der Fahrer suche einen Parkplatz. Doch als er eine freie Lücke und dann noch eine passierte, wurden sie unruhig.
»Wir hatten ein Schreiben bekommen, das uns von Einbrüchen in der Nachbarschaft in Kenntnis setzte«, sagte sie und Wandte sich an ihren Mann. »Wann war das gleich wieder, Ron?«
Er hielt mit dem Füttern inne, der Löffel schwebte auf halbem Weg in der Luft. »Im Frühherbst?«
»Ich denke, das kommt hin.« Sie sah wieder zu Nkata. »Darum kam uns der Lieferwagen verdächtig vor, wie er da entlangkroch. Ich habe die Nummer aufgeschrieben.«
»Gut gemacht«, sagte Nkata.
Sie fuhr fort: »Dann kamen wir nach Hause, und
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