Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Sitzgelegenheit.
    Er holte für sich selbst einen Stuhl aus der Küche und stellte ihn genau ihnen gegenüber auf. Dann nahm er Platz, die Füße fest auf dem Boden. Er trug weder Strümpfe noch Schuhe, bemerkte Lynley. An einem Zeh fehlte der Nagel. Masoud erklärte: »Ich will Ihnen sagen, dass ich niemals ein Gesetz dieses Landes gebrochen habe. Das habe ich den Polizeibeamten auch schon erklärt, als sie hier gewesen waren, um mit mir zu sprechen. Ich kenne Clapham nicht, so wenig wie jede andere Gegend südlich der Themse. Und selbst wenn ich sie kennen würde. An den Abenden, an denen ich nicht meine Kinder treffe, bin ich am Victoria Embankment. Dort war ich auch in der Nacht des Einbruchs in Clapham, zu dem die Polizei mich befragt hat.«
    »Victoria Embankment?«, wiederholte Lynley.
    »Ja, ja, gleich am Fluss.«
    »Ich weiß, wo es liegt. Was machen Sie dort?«
    »Hinter dem Savoy Hotel schlafen zu jeder Jahreszeit viele Obdachlose. Ich bringe ihnen Essen.«
    »Essen?«
    »Aus meiner Küche. Ja. Ich mache ihnen etwas zu essen. Und ich bin nicht der Einzige, der das tut«, fügte er hinzu, als habe er das Gefühl, er müsse der Skepsis, die sich auf Lynleys Gesicht zeigte, etwas entgegensetzen. »Die Nonnen sind auch dort. Und eine andere Gruppe, die Decken verteilt. Und als die Polizei mich befragt hat, weil mein Van angeblich an einem Abend in Clapham war, als dort eingebrochen wurde, hab ich den Beamten das erklärt. Zwischen halb zehn und Mitternacht bin ich viel zu beschäftigt, um Zeit für Wohnungseinbrüche zu haben, Superintendent.«
    Es war, sagte er ihnen, ein Gebot des Islam, und er fügte hinzu: »So wie er gelebt werden sollte«, mit einer kleinen Betonung auf dem Wort »sollte«, vielleicht um den Unterschied zwischen den alten Traditionen und der militanten Form des Islam, die heute weltweit zutage trat, zu unterstreichen. Der Prophet - gesegnet sei sein Name - hatte seinen Anhängern aufgetragen, sich der Armen anzunehmen, erklärte Masoud. Die mobile Suppenküche war die Art und Weise, wie dieser demütige Diener Allahs dem Gebot nachkam. Er fuhr das ganze Jahr zum Victoria Embankment, wenngleich er im Winter am dringendsten gebraucht wurde, wenn die Kälte den Obdachlosen zusetzte.
    Nkata war derjenige, der das Wort aufgriff: »Mobile Suppenküche, Mr. Masoud? Sie bereiten das Essen nicht hier zu?«
    »Nein, nein. Wie sollte ich das Essen auf so einer langen Fahrt wie von Telford Way zum Victoria Embankment warm halten? Mein Van ist mit allem ausgestattet, was ich brauche, um die Mahlzeiten zuzubereiten: Herd, Arbeitsplatte, ein kleiner Kühlschrank. Mehr brauche ich nicht. Natürlich könnte ich ihnen Sandwiches machen, die keinen Herd und so weiter erfordern, aber sie brauchen etwas Heißes, diese armen Seelen auf der Straße. Nicht kaltes Brot und Käse. Und ich bin dankbar, dass ich es ihnen geben kann.«
    »Wie lange betreiben Sie diese fahrbare Armenspeisung schon?«, fragte Lynley.
    »Seit ich im Ruhestand bin und von der British Telecom eine Pension bekomme. Das sind jetzt fast neun Jahre. Sprechen Sie mit den Nonnen. Sie werden das bestätigen.«
    Lynley glaubte ihm. Nicht nur, weil die Nonnen es vermutlich bestätigen würden, genau wie jeder andere, der Muwaffaq Masoud regelmäßig am Victoria Embankment sah, sondern weil der Mann eine Aufrichtigkeit ausstrahlte, die Vertrauen erweckte. Rechtschaffen war das Wort, das ihn am besten beschrieb, fuhr es Lynley durch den Kopf.
    Trotzdem sagte er: »Mein Kollege und ich würden uns gern Ihren Van ansehen. Von außen und innen. Wären Sie damit einverstanden?«
    »Selbstverständlich. Wenn Sie einen Moment warten wollen? Ich ziehe mir etwas an, und dann zeige ich ihn Ihnen.« Er eilte die Treppe hinauf und ließ Lynley und Nkata unten zurück, die einen fragenden Blick tauschten. »Was halten Sie davon?«, fragte Lynley. »Entweder sagt er die Wahrheit, oder er ist ein Soziopath. Aber sehen Sie sich das an, Chef.« Nkata drehte sein kleines ledergebundenes Notizbuch auf dem Knie um, sodass Lynley die Schrift lesen konnte:
     
waf
    bile
    che
    579-54
    Und darunter hatte er geschrieben:
     
Muwaffaqs
    Mobile
    Küche
    8579-5479
    Nkata sagte: »Das ist es, was ich nicht kapiere. Was hat er getrieben? Erst das Essen hinter dem Savoy verteilt, dann eine unbestimmte Zeit im Stadtzentrum rumgelungert, dann mitten in der Nacht nach St. George's Gardens rübergefahren, wo er auf dem Videofilm verewigt wird, den wir gesehen haben?

Weitere Kostenlose Bücher