13 - Wo kein Zeuge ist
ich, dass er das freiwillig getan hat.«
»Er lebte, als ich die beiden allein gelassen habe«, beharrte Minshall stur. »Ich schwöre es. Ich habe keinem der Jungen je ein Haar gekrümmt. Und das hat auch keiner meiner Kunden getan.«
Lynley hatte genug von Barry Minshall, seinen Kunden, MABIL und dem großen Liebesprojekt, das zu fördern der Zauberer sich offenbar einbildete. »Wie sah dieser Mann aus? Wie sind Sie miteinander in Kontakt getreten?«
»Er ist kein ...«
»Mr. Minshall, im Augenblick ist mir völlig gleich, ob er ein Mörder ist oder nicht. Ich will ihn finden, und ich will ihn verhören. Also, wie sind Sie in Kontakt getreten?«
»Er hat mich angerufen.«
»Festnetz? Handy?«
»Handy. Als er bereit war, hat er angerufen. Ich habe seine Nummer nicht.«
»Wie hat er erfahren, wann Sie alle Arrangements getroffen hatten?«
»Ich wusste, wie lange es dauern würde, und habe ihm gesagt, wann er wieder anrufen soll. So sind wir in Kontakt geblieben. Als ich alles vorbereitet hatte, hab ich einfach gewartet, bis er sich wieder meldete, und ihm gesagt, wann und wo er uns treffen sollte. Er ist ins Hotel gegangen, hat das Zimmer bar bezahlt, und dort sind wir zu ihm gestoßen. Alles andere ist gelaufen, wie ich es geschildert habe. Wir haben unsere Vorführung gemacht, und ich habe Davey dort zurückgelassen.«
»Davey fand das nicht eigenartig? Mit einem Fremden in einem Hotelzimmer zu bleiben?« Das klingt nicht nach dem Davey Benton, den der Vater des Jungen beschrieben hat, dachte Lynley. Es fehlte eine Komponente bei dem Szenario, das Minshall hier entwarf. »Stand der Junge unter Drogen?«, fragte er.
»Ich habe den Jungen nie Drogen gegeben«, entgegnete Minshall.
Lynley war inzwischen daran gewöhnt, dass der Mann um die Fragen herumtanzte. »Und was war mit Ihren Kunden?«, fragte er.
»Ich verteile keine Drogen ...«
»Das reicht, Barry«, fuhr Barbara dazwischen. »Sie wissen ganz genau, was der Superintendent Sie gefragt hat.«
Minshall sah auf die Überreste seines Plastikbechers hinab, die nur noch konfettigroße Schnipsel waren. »Wir bekommen in dem Hotelzimmer in der Regel Getränke angeboten. Es steht den Jungen frei, sie zu nehmen oder nicht.«
»Was für Getränke?«
»Alkohol.«
»Aber keine Drogen? Cannabis, Kokain, Ecstasy oder Ähnliches?«
Minshall hatte tatsächlich die Stirn, bei dieser Frage empört aufzufahren. »Selbstverständlich nicht. Wir sind keine Drogensüchtigen, Superintendent Lynley.«
»Nur Kinderschänder«, sagte Havers. Dann warf sie Lynley einen Blick zu, der sagte: Tut mir Leid, Sir.
Er wiederholte: »Wie sah dieser Mann aus, Mr. Minshall?«
»Zwei-Zwei-eins-sechs-null?« Marshall dachte darüber nach. »Durchschnittlich. Er hatte einen Kinn- und Schnurrbart. Er trug eine Schirmmütze, wie ein Mann vom Land. Und eine Brille.«
»Und ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass all das eine Verkleidung sein könnte?«, fragte Lynley den Zauberer. »Der Bart, die Brille, die Mütze?«
»Mir ist in dem Moment überhaupt nicht in den Sinn gekommen ... Verstehen Sie, wenn ein Mann bereit ist, sich nicht mehr mit Fantasien zu begnügen, sondern es wirklich zu tun, hat er das Verkleidungsstadium hinter sich gelassen.«
»Nicht, wenn er die Absicht hat, jemanden zu ermorden«, schränkte Havers ein.
»Wie alt war der Mann?«, fragte Lynley.
»Ich weiß es nicht. In den mittleren Jahren? Das muss er mindestens gewesen sein, denn er war in keiner sehr guten Verfassung. Er sah aus wie jemand, der sich nicht fit hält.«
»Wie jemand, der schnell außer Atem gerät?«
»Möglich. Aber glauben Sie mir, er war nicht verkleidet. Schön, ich gebe zu, einige Typen verkleiden sich, wenn sie zum ersten Mal zu MABIL kommen - Perücke, Bart, Turban, was auch immer -, aber wenn es so weit ist, dass sie bereit sind ... haben wir Vertrauen geschaffen. Niemand tut dies ohne Vertrauen. Denn ich könnte ja ebenso gut ein Polizist sein, der verdeckt ermittelt. Ich könnte alles Mögliche sein.«
»Genau wie diese Männer«, sagte Havers. »Aber der Gedanke ist Ihnen einfach nie gekommen, oder, Barry? Sie haben Davey Benton einfach einem Serienmörder ausgeliefert, ihm zum Abschied zugewinkt und sind mit dem Geld in der Tasche nach Hause gefahren.« Sie wandte sich an Lynley. »Ich würde sagen, wir haben genug, meinen Sie nicht, Sir?«
Lynley konnte nicht widersprechen. Für den Augenblick hatten sie genug von Minshall. Sie brauchten eine Liste der eingegangenen
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