13 - Wo kein Zeuge ist
nur aus einer Person besteht: meinem Kunden von MABIL. Was Sie wissen müssen, ist, dass kein Junge sich je geweigert hat, mit dem Mann zu gehen, dem er am Ende der Vorstellung übergeben wurde. Vielmehr konnten sie es kaum erwarten. Sie waren so weit. Wie gesagt, ich habe sie vorbereitet.«
»Davey Benton ...«, begann Havers, und Lynley erkannte an dem Zorn in ihrer Stimme, dass er sie unterbrechen musste.
»Wo haben diese ›Vorstellungen‹ stattgefunden, Mr. Minshall?«, fragte er. »In der St.-Lucy-Kirche?«
Minshall schüttelte den Kopf. »Es waren Privatvorstellungen, wie ich schon sagte.«
»Also im Canterbury Hotel. Wo Sie Davey zum letzten Mal gesehen haben. Wo ist das?«
»In Lexham Gardens, nahe der Cromwell Road. Es gehört einem unserer Mitglieder. Er betreibt es nicht zu diesem Zweck, als Treffpunkt für Männer und Jungen. Es ist ein ganz gewöhnliches Hotel.«
»Darauf wette ich«, murmelte Havers.
»Erzählen Sie uns genau, was sich bei dieser Vorstellung ereignet hat«, forderte Lynley ihn auf. »Hat sie in einem Zimmer stattgefunden?«
»In einem normalen Hotelzimmer. Der Kunde wird gebeten, sich zuvor im Canterbury Hotel einzumieten. Wir treffen ihn in der Lobby und gehen zusammen nach oben, dann findet unsere Vorstellung statt, und danach werde ich bezahlt.«
»Für die Lieferung des Jungen?«
Minshall hatte offenbar nicht die Absicht, seine Zuhälterrolle zu gestehen. »Für die Zaubervorführung, bei der der Junge assistiert.«
»Und was dann?«
»Dann lasse ich den Jungen dort zurück, und der Kunde bringt ihn anschließend nach Hause.«
Havers fragte: »All die Jungen, deren Fotos wir in Ihrer Wohnung gefunden haben ...?«
»Ehemalige Assistenten«, antwortete Minshall.
»Sie meinen, Sie haben jeden von ihnen irgendeinem Kerl in einem Hotelzimmer überlassen, damit der es mit ihnen treiben konnte?«
»Keiner der Jungen war gegen seinen Willen dort, keiner ist anschließend zu mir gekommen und hat sich über die Behandlung beklagt.«
»Behandlung«, wiederholte Havers. »Behandlung, Barry.«
»Mr. Minshall«, sagte Lynley, »Davey Benton wurde von dem Mann ermordet, dem Sie ihn ausgeliefert haben. Darüber sind Sie sich doch im Klaren, nicht wahr?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass Davey ermordet wurde, Superintendent. Nichts beweist mir, dass mein Kunde es getan hat. Bis ich etwas Gegenteiliges von ihm höre, gehe ich davon aus, dass Davey Benton allein losgezogen ist, nachdem er nach Hause gebracht worden war.«
»Was meinen Sie mit ›bis Sie etwas Gegenteiliges von ihm hören‹?«, fragte Havers. »Erwarten Sie, dass ein Serienmörder Sie anruft und sagt: ›Vielen Dank, Kumpel, schick mir noch so einen, damit ich ihn umbringen kann‹?«
»Sie sagen, mein Kunde habe Davey umgebracht. Ich sage das nicht. Und, ja, ich erwarte, dass er eine zweite Vorstellung bucht«, fügte Minshall hinzu. »So läuft es meistens. Und eine dritte und vierte, wenn der Mann und der Junge kein privates Arrangement getroffen haben.«
»Was für eine Art von Arrangement?«, wollte Lynley wissen.
Minshall ließ sich mit der Antwort Zeit. Er sah kurz zu James Barty hinüber, vielleicht, um sich zu erinnern, wie viel preiszugeben sein Anwalt ihm geraten hatte. Mit Bedacht sagte er: »Bei MABIL geht es um Liebe, Liebe zwischen Männern und Jungen. Die meisten Kinder sehnen sich nach Liebe. Genauer gesagt, die meisten Menschen sehnen sich danach. Es geht nicht und ging niemals um Kindesmissbrauch.«
»Lediglich um Zuhälterei«, warf Havers ein, die sich offensichtlich nicht länger beherrschen konnte.
»Kein Junge«, fuhr Minshall stur fort, »hat sich je ausgenutzt oder missbraucht gefühlt bei den Begegnungen, die ich über MABIL arrangiert habe. Wir wollen sie lieben. Und das tun wir auch.«
»Und was reden Sie sich ein, wenn sie tot aufgefunden werden?«, fragte Havers. »Dass Sie sie zu Tode geliebt haben?«
Minshall antwortete Lynley, als halte er dessen Schweigen für eine unausgesprochene Billigung seiner Taten. »Sie haben keinerlei Beweis, dass mein Kunde ...« Dann beschloss er plötzlich einen Richtungswechsel: »Davey Benton sollte nicht sterben. Er war bereit für ...«
»Davey Benton hat sich gegen seinen Mörder gewehrt«, unterbrach Lynley. »Ganz gleich, was Sie geglaubt haben, Mr. Minshall, er war weder schwul noch bereit, noch willig und ganz sicher nicht begierig. Also wenn er nach Ihrer ›Vorstellung‹ mit seinem Mörder mitgegangen ist, bezweifle
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