13 - Wo kein Zeuge ist
ganze Idee, über irgendjemanden von uns etwas in der Zeitung zu schreiben ... Das ist nicht gut. Weder für uns noch für die Ermittlung. Wie steht es eigentlich mit dir und Hillier?«
»Ich geh ihm aus dem Weg.«
»Keine dumme Strategie.«
Mitchell Corsico stand plötzlich wie aus dem Boden gestampft vor ihnen und lächelte, als er sie am Kaffeeautomaten entdeckte.
»DS Nkata«, sagte der Reporter. »Ich hab Sie gesucht.«
Barbara raunte Nkata zu: »Besser du als ich, Winnie. Sorry.« Und damit machte sie sich auf den Rückweg zur Einsatzzentrale. Sie und Corsico gingen aneinander vorbei, ohne auch nur einen Blick zu wechseln. Und dann war Nkata allein mit dem Journalisten.
»Kann ich Sie kurz sprechen?« Corsico wählte Tee mit Milch und zweimal Zucker und schlürfte das heiße Getränk. Alice Nkata hätte das missbilligt.
»Ich hab zu arbeiten«, entgegnete Nkata und wollte sich abwenden.
»Es geht um Harold.« Corsicos Stimme klang so freundlich wie eh und je. »Ich hab mich gefragt, ob Sie mir vielleicht etwas über ihn erzählen wollen. Über zwei gegensätzliche Brüder ... Es wäre ein fantastischer Einstieg für die Story. Sie sind der Nächste, wie Ihnen wahrscheinlich schon aufgegangen ist. Sie auf der einen Seite, Lynley auf der anderen. Es ist eine Art Alpha-und-Omega-Situation, die bei den Lesern gut ankommen wird.«
Nkata war erstarrt, als der Name seines Bruders gefallen war. Er hatte nicht die Absicht, über Stoney zu sprechen. Was konnte er über ihn sagen? Selbst wenn er sich auf die Antwort »kein Kommentar« beschränkte, würde ihm das nichts helfen. Wenn er Stoney Nkata verteidigte, würde es heißen, er gehe mit Scheuklappen durchs Leben und dass die Schwarzen immer zusammenhalten wie Pech und Schwefel, ganz egal, was passiert war. Gab er aber keinen Kommentar ab, würde es so ausgelegt, als sei er ein Beamter, der seine Vergangenheit verleugnet, ganz zu schweigen von seiner Familie.
»Harold ...«, begann er und dachte, wie seltsam dieser Name, den er nie benutzt hatte, ihm in den Ohren klang. »Er ist mein Bruder. Das stimmt.«
»Und möchten Sie ...«
»Das habe ich doch gerade«, unterbrach Nkata. »Ich hab es Ihnen bestätigt. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe zu arbeiten.«
Corsico folgte ihm den Flur entlang und in die Einsatzzentrale. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Nkata, holte einen Notizblock heraus und schlug ihn auf der Seite auf, wo er sich zuletzt Notizen gemacht hatte, allem Anschein nach in altmodischer Stenographie.
»Ich habe ganz falsch angefangen«, sagte er. »Lassen Sie es mich noch einmal versuchen. Ihr Vater heißt Benjamin. Er ist Busfahrer, richtig? Wie lange arbeitet er schon bei London Transport? Welche Route fährt er, Detective Sergeant Nkata?«
Nkatas Kiefermuskeln verkrampften sich, während er die Blätter sortierte, auf denen er zuvor Informationen zusammengetragen hatte.
Corsico fuhr fort: »Tja, also, die Adresse ist Loughborough Estate in Südlondon, richtig? Wohnen Sie schon lange da?«
»Mein ganzes Leben.« Nkata schaute den Reporter immer noch nicht an. Jede seiner Bewegungen sollte ausdrücken: Ich hab zu tun, Mann.
Corsico ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Mit einem Blick auf seine Notizen fragte er: »Und Ihre Mutter? Alice? Was macht sie?«
Nkata fuhr auf seinem Stuhl zu ihm herum. Seine Stimme blieb höflich. »Die Frau des Superintendent ist in der Zeitung gelandet. Das wird mit meiner Familie nicht passieren. Auf keinen Fall.«
Corsico schien das als Einladung in Nkatas Psyche zu interpretieren, die ihn ohnehin mehr interessierte. Er fragte: »Würden Sie sagen, es ist bei Ihrer Herkunft schwierig, ein Polizist zu sein, Sergeant?«
»Ich will keine Geschichte über mich in der Zeitung«, erwiderte Nkata. »Ich kann mich nicht deutlicher ausdrücken, Mr. Corsico.«
»Mitch«, verbesserte Corsico. »Sie sehen in mir einen Gegner, hab ich Recht? Aber so sollte es nicht sein mit uns. Ich bin hier, um Scotland Yard einen Dienst zu erweisen. Haben Sie den Artikel über Superintendent Lynley gelesen? Kein negatives Wort darin. Ich habe ihn in ein so positives Licht gestellt, wie ich konnte. Na schön, es gäb noch mehr über ihn zu sagen - diese Geschichte in Yorkshire und der Tod seines Schwagers -, aber dem brauchen wir uns vorläufig noch nicht zuzuwenden, vorausgesetzt, dass die übrigen Beamten sich kooperativ zeigen, wenn ich sie porträtieren will.«
»Moment mal«, sagte Nkata.
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