13 - Wo kein Zeuge ist
dich das letztlich in die falsche Richtung führen könnte.«
»In Ordnung. Akzeptiert. Was ist es?«
St. James förderte einen weiteren Papierstapel zutage. »Ihr Mageninhalt«, sagte er. »Vor diesem letzten Jungen, dem Queen's-Wood-Opfer ...«
»Davey Benton.«
»Die Opfer vor ihm hatten alle in der letzten Stunde ihres Lebens etwas gegessen. Und in allen Fällen war der Mageninhalt identisch.«
»Identisch?«
»Ohne Ausnahme, Tommy.«
»Und bei Davey Benton?«
»Er hatte seit Stunden nichts gegessen. Mindestens seit acht Stunden. Wenn man das zusammen mit dem fehlenden Ambra-Öl betrachtet ...« St. James lehnte sich vor. Er legte die Hände auf den Papierstoß, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Ich brauche dir nicht zu sagen, was das bedeutet, oder?«
Lynley wandte den Blick ab. Er schaute hinaus auf den Platz, wo der graue Wintertag sich allmählich der Dunkelheit näherte und allem, was die Dunkelheit mit sich brachte.
»Nein, Simon«, antwortete er schließlich, »das brauchst du mir nicht zu sagen.«
26
Der Name auf der Anmeldekarte lautete Oscar Wilde. Als Barbara das sah, schaute sie das Mädchen mit dem Kronleuchterohrring an und erwartete ein Augenrollen und einen Gesichtsausdruck, der besagte: Was erwarten Sie denn? Doch es wurde schnell klar, dass die junge Frau an der Rezeption zu der neuen unwissenden Generation zählte, die ihre Bildung aus Musikvideos und Klatschmagazinen bezog. Der Name war ihr so wenig geläufig wie dem Nachtportier, aber der hatte wenigstens die Ausrede, dass er Ausländer war. Wilde war vermutlich nie eine Berühmtheit in der Türkei gewesen.
Barbara schaute sich die Adresse an: ein Haus auf der Collingham Road. Das Hotel verfügte über eine eselohrige Ausgabe des Stadtführers A to Z - angeblich für die Horden von Touristen, die dort abstiegen -, und sie fand die Straße in der Nähe von Lexham Gardens. Sie lag auf der anderen Seite der Cromwell Road, und Barbara konnte sie problemlos zu Fuß erreichen.
Bevor sie zur Rezeption hinuntergegangen war, hatte sie auf die Ankunft des Teams der Spurensicherung gewartet, das sie von Zimmer neununddreißig aus telefonisch angefordert hatte. Mr. Tatlises war in seinem Smoking verschwunden, vermutlich um seine Kumpel von MABIL anzurufen und sie vorzuwarnen, dass schlechte Zeiten auf sie zukamen. Anschließend, nahm sie an, würde er den vergeblichen Versuch unternehmen, alles an Kinderpornografie, was er besaß, zu vernichten. Idiot, dachte Barbara. Der hatte todsicher nicht der Versuchung widerstehen können, diesen Dreck aus dem Internet runterzuladen - das konnten diese Typen nie -, und er war dämlich genug, zu glauben, dass »löschen« dasselbe bedeutete wie »für immer verschwinden lassen«. Die Kollegen von Earls Court Road würden in diesem Laden ihre helle Freude haben. Hatten sie Tatlises erst mal in ihren Klauen, würden sie einen Weg finden, alles aus ihm herauszupressen, was er wusste: über MABIL, die Vorgänge in diesem Hotel, über kleine Jungen und Geld, das von einer Hand in die andere wechselte, und über alles andere, was mit dieser widerlichen Geschichte zu tun hatte. Es sei denn, einer von ihnen war selbst MABIL-Mitglied ... Einer oder mehrere der Kollegen von der Earls Court Road ... aber daran wollte Barbara gar nicht denken. Polizisten, Priester und Ärzte. Man musste wenigstens hoffen, wenn schon nicht glauben können, dass es so etwas wie moralische Instanzen gab.
Wie Lynley angeordnet hatte, sprach sie mit dem Chief Superintendent der Earls Court Road, und er setzte die Räder in Gang. Als das KTU-Team kam, hielt sie die Stellung für ausreichend gesichert, sodass sie sich auf den Weg machen konnte.
Sie hatte sich die Adresse auf der Anmeldekarte notiert, die Karte selbst zur Untersuchung auf Fingerabdrücke der KTU übergeben und machte sich nun auf der Cromwell Road nach Osten in Richtung des Natural History Museum auf den Weg. Etwa hundert Meter hinter Lexham Gardens bog die Collingham Road nach Süden ab. Barbara ging die hohen, weißen Häuser entlang und suchte nach der richtigen Nummer.
Bedachte man, welcher Name auf dem Anmeldeformular gestanden hatte, war sie nicht sehr zuversichtlich, dass die Adresse irgendetwas anderes als eine weitere Täuschung sein könnte. Und ihre Schlussfolgerung war nicht weit von der Wahrheit entfernt. Wo die Collingham Road auf die untere Hälfte von Courtfield Gardens stieß, stand eine alte Kirche an der Ecke. Ein schmiedeeiserner Zaun
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