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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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umgab den Kirchhof, und in diesem Hof fand sich ein verblasstes Schild, das diesen Ort in Goldbuchstaben als »St. Lucy Gemeindezentrum« auswies. Unter dem Namen stand die Straßenanschrift, die sich mit der auf der Anmeldekarte des Canterbury Hotels deckte. Wie passend, dachte Barbara, als sie das Tor aufstieß und in den Kirchhof trat. Die Adresse auf der Karte war identisch mit der von MABIL: St. Lucy, die aufgelassene Kirche unweit der U-Bahn-Station Gloucester Road.
    Minshall hatte gesagt, dass die MABIL-Treffen im Keller stattfanden, also machte sie sich auf den Weg dorthin. Sie ging seitlich um das Gebäude herum, folgte einem Zementpfad durch einen kleinen, überwucherten Friedhof, der voller windschiefer Grabsteine und efeubewachsener Steinsarkophage war, um die sich seit Ewigkeiten niemand gekümmert hatte.
    Eine Steintreppe führte am anderen Ende der Kirche in das Untergeschoss hinab. Ein Schild auf der leuchtend blauen Tür besagte, dass dieser Teil des Gemeindezentrums die Kindertagesstätte »Kita Marienkäfer« beherbergte. Die Tür stand ein Stück offen, und Barbara hörte Kinderstimmen.
    Sie trat ein und fand sich in einem Vorraum, wo in Hüfthöhe eine lange Reihe Haken mit kleinen Mänteln, Jacken und Regencapes bestückt war. Darunter warteten säuberlich zusammengestellte, bierglasgroße Gummistiefel auf ihre Besitzer. Zwei Räume schienen von diesem Flur abzugehen; im kleinen Zimmer bastelten einige Kindern Valentinsgrußkarten aus Papier, und im großen Raum tanzten andere eine wilde Polonaise zu »On the Sunny Side of the Street«.
    Barbara überlegte noch, in welchem der Zimmer sie zuerst ihr Glück auf der Suche nach Informationen versuchen sollte, als eine Frau um die sechzig, die Brille an einer Goldkette um den Hals gehängt, aus einer Tür trat, hinter der offenbar eine Küche lag. Nach dem Duft zu urteilen, trug sie eine Platte mit frischen Ingwerplätzchen. Barbaras Magen knurrte sehnsüchtig.
    Die Frau schaute von Barbara zur Tür, und ihr Gesichtsausdruck besagte, dass die Tür eigentlich hätte abgeschlossen sein sollen, was Barbara für eine gute Idee hielt. Die Frau fragte, ob sie ihr helfen könne.
    Barbara zeigte ihren Dienstausweis und erklärte der Dame - die sich als Mrs. McDonald vorstellte -, dass sie wegen MABIL gekommen sei.
    »Mable?«, fragte Mrs. McDonald. »Wir haben keine Mable in unserer Kita.«
    Es handele sich um eine Organisation von Männern, die sich abends im Keller trafen, erklärte Barbara. Es schrieb sich M-A-B-I-L.
    Darüber wusste Mrs. McDonald nichts. Sie riet Barbara, mit der Maklerfirma zu sprechen, die die Vermietung regelte. Taverstock & Percy sei der Name, auf der Gloucester Road. Die machten alle Verträge für die Räumlichkeiten des Gemeindezentrums. Zwölfpunkteprogramme, Frauenclubs, Antik- und Handwerkermärkte, Schreibkurse, alles Mögliche.
    Barbara fragte Mrs. McDonald, ob sie sich trotzdem kurz umschauen dürfe. Sie wusste, dass es hier nichts zu finden gab, aber sie wollte ein Gefühl für diesen Ort bekommen, wo Perversion nicht nur geduldet, sondern gefördert wurde.
    Mrs. McDonald war alles andere als glücklich über die Bitte, doch sie erklärte sich bereit, Barbara herumzuführen, wenn diese kurz warten würde, bis die Kekse an die Kinder verteilt waren. Sie trug ihr Tablett in den großen Raum und übergab es einer der Erzieherinnen. Sie kam zurück, während die Polonaise sich in Windeseile auflöste und alle Kinder sich gierig auf die Kekse stürzten, was Barbara nur zu gut verstehen konnte. Sie hatte das Mittagessen ausfallen lassen, und jetzt war bereits Teezeit.
    Pflichterfüllt folgte sie Mrs. McDonald von Zimmer zu Zimmer. Überall waren Kinder: lachend, plappernd, rotwangig und unschuldig. Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, dass Pädophile diese Atmosphäre hier am Abend besudelten, wenn die Kinder sicher daheim im Bett lagen.
    Doch es gab nur wenig zu sehen. Ein Saal mit einem Podium an einem Ende, ein Rednerpult war an die Seite geschoben, aufgestapelte Stühle standen entlang der Wände, die mit Regenbogen, Kobolden und einem Topf voller Gold bemalt waren. Ein kleiner Raum mit Tischen im Zwergenmaß, wo die Kinder basteln und töpfern konnten und ihre Werke auf Wandregalen ausgestellt wurden - ein Tumult aus Farben und Fantasie. Küche, Toilette, Vorratsraum. Das war alles. Barbara versuchte, sich diesen Ort voll Kinderschänder vorzustellen, was nicht schwierig war. Sie sah sie förmlich vor sich, diese

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