Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
»Und wie steht's bei Ihnen?«, fragte sie ihn.
    »St. James glaubt, unser Mann muss bald neues Ambra-Öl kaufen«, berichtete er und teilte ihr mit, was St. James sonst noch herausgefunden hatte. »Es wird Zeit, dass Sie Wendy's Cloud noch einmal einen Besuch abstatten, Constable.«
    Nkata parkte am Manor Place. Er dachte immer noch über die Dutzende schwarzer Jugendlicher nach, die er nahe Elephant and Castle hatte herumlungern sehen. Es gab nicht einen einzigen Ort, wohin sie gehen, und sehr wenig, das sie tun konnten. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, denn wenn schon sonst nirgendwohin, hätten sie ja wenigstens zur Schule gehen können. Doch er wusste, dass sie selbst ihre Situation nicht sehr positiv sahen. Sie hatten diese Sichtweise von älteren Freunden übernommen, von verbitterten und enttäuschten Eltern, und der Mangel an Chancen sowie zu große Versuchungen bestärkten sie noch darin. Auf lange Sicht war es einfacher für sie, gleichgültig zu sein. Nkata hatte den ganzen Weg nach Kennington über sie nachgedacht und benutzte sie als Ausrede.
    Nicht, dass er wirklich eine brauchte. Dieser Gang war eine Verpflichtung. Der Zeitpunkt war gekommen.
    Er stieg aus dem Wagen und ging die wenigen Schritte zum Perückengeschäft, immer noch ein Zeichen der Hoffnung, dass etwas möglich war zwischen all den leeren und verrammelten Läden der Gegend. In den Pubs war natürlich noch Betrieb, aber bis auf einen armseligen Kiosk an der Ecke, der mit schweren Rollgittern gesichert war, hatte Yasmin Edwards das einzige geöffnete Geschäft.
    Als Nkata eintrat, sah er, dass Yasmin Kundschaft hatte: eine klapperdürre schwarze Frau mit einem Totenkopfgesicht. Sie war kahl und saß zusammengesunken in einem der Kosmetikstühle vor der Spiegelwand und der Theke, an der Yasmin arbeitete. Ein aufgeklappter Schminkkoffer stand darauf und drei Perücken lagen da: eine mit einer Zopffrisur, eine mit Kurzhaar wie Yasmins Frisur, eine lang und glatt, wie Models sie auf dem Laufsteg trugen.
    Yasmins Blick glitt in Nkatas Richtung und dann wieder weg, als habe sie ihn erwartet und sei von seinem Auftauchen nicht überrascht. Er nickte ihr zu, aber er wusste, dass sie es nicht sah. Sie widmete ihre ganze Aufmerksamkeit ihrer Kundin und dem Pinsel, den sie in ein rundes Metalldöschen mit Rouge tauchte.
    »Ich seh es einfach nicht«, sagte die Kundin. Ihre Stimme klang so erschöpft, wie sie selbst aussah. »Sparen Sie sich die Mühe, Yasmin.«
    »Warten Sie erst mal ab«, entgegnete Yasmin sanft. »Lassen Sie mich meine Arbeit machen, meine Liebe, und inzwischen können Sie sich die Perücken anschauen und eine aussuchen.«
    »Macht doch sowieso keinen Unterschied, oder«, sagte die Frau. »Ich weiß gar nicht, warum ich eigentlich gekommen bin.«
    »Weil Sie schön sind, Ruby, und die Welt verdient es, das zu sehen.«
    Ruby schnalzte ungeduldig mit der Zunge. »Schön bin ich nicht mehr.«
    Yasmin antwortete nicht darauf, sondern stellte sich vor die Frau, um deren Gesicht eingehend zu studieren. Sie hatte jedes Mitleid aus ihrem Gesichtsausdruck verbannt, das die Kundin sicher sofort gespürt hätte. Yasmin trat einen Schritt näher an sie heran und fuhr mit dem Rougepinsel erst über den Wangenknochen, dann über die Wange.
    Nkata wartete geduldig. Er beobachtete Yasmin bei der Arbeit: den leichten Pinselstrich, das Auftragen von Lidschatten zur Betonung der Augen. Sie beendete ihr Werk, indem sie bei ihrer Kundin mit einem kleinen Pinsel Lippenstift auftrug. Ihre eigenen Lippen waren ungeschminkt. Die rosenförmige Narbe an ihrer Oberlippe - ein Geschenk ihres verstorbenen Ehemannes - machte das unmöglich.
    Sie trat zurück und begutachtete ihr Werk. Dann sagte sie: »Sie sehen klasse aus, Ruby. Welche Perücke soll das Bild abrunden?«
    »Ach, Yasmin, ich weiß nicht.«
    »Jetzt kommen Sie schon. Ihr Mann da draußen wartet nicht auf eine kahlköpfige Lady mit einem hübschen neuen Gesicht. Wollen Sie sie noch mal anprobieren?«
    »Versuchen wir die Kurze.«
    »Sind Sie sicher? Mit der Langen haben Sie wie dieses Model - wie heißt sie doch gleich? - ausgesehen.«
    Ruby lachte vor sich hin. »Oh, klar doch. Ich bin bereit für die Modemesse. Vielleicht stecken sie mich in einen Bikini. Endlich hab ich die richtige Figur dafür. Lassen Sie mich die Kurze versuchen. Die gefällt mir ganz gut.«
    Yasmin holte die kurze Perücke und setzte sie Ruby behutsam auf den Kopf. Sie trat zurück, nahm eine kleine Korrektur vor, trat

Weitere Kostenlose Bücher