13 - Wo kein Zeuge ist
den Sohn hinderte, vorbeizuschauen, oder? Autounfall, Herzinfarkt, von Außerirdischen entführt ...?
Zumindest einer der Vorschläge schien zu wirken, denn Morag nickte versonnen und sagte: »Ja, vielleicht sollten wir nachschauen.« Sie ging an einen Eckschrank und öffnete ihn. Die Rückseite der Tür war voller Haken, an denen Schlüssel baumelten.
Immer noch im Morgenmantel, ging Morag voraus zu Wohnung Nr. 5. Hinter der Tür herrschte Stille, und für einen Augenblick fürchtete Barbara, der Trick, mit dem sie sich Zugang verschaffen wollte, werde nicht funktionieren. Doch als Morag gerade sagte: »Ich höre eigentlich gar nichts ...«, war Mandy so entgegenkommend, wieder zu schreien. Mit einem »Ach, du meine Güte« schloss die Verwalterin hastig die Tür auf und öffnete sie. Die Katze floh wie ein Sträfling, dem sich eine unerwartete Gelegenheit bietet. Sie flitzte um die Ecke Richtung Treppe, zweifellos auf dem Weg in die Freiheit jenseits der Haustür, die die Moppits immer noch nicht geschlossen hatten.
Das durfte natürlich nicht sein. Morag nahm die Verfolgung der Katze auf.
Barbara betrat die Wohnung. Das Erste, was ihr auffiel, war ein überwältigender Uringeruch. Katzenurin, nahm sie an. Seit Tagen hatte niemand das Katzenklo gesäubert. Die Fenster waren geschlossen, die Vorhänge zugezogen, was die Situation noch verschärfte. Es war kein Wunder, dass die Katze ins Freie und damit an die frische Luft fliehen wollte.
Barbara schloss die Etagentür trotz des Gestanks, damit sie vorgewarnt wurde, wenn Morag zurückkam und erneut den Schlüssel benutzen musste. Nun war die Wohnung noch düsterer, und sie öffnete die Vorhänge. Sie sah, dass die Wohnung genau wie die von Berkeley Pears zum Wald hin gelegen war.
Sie kehrte dem Fenster den Rücken und nahm das Zimmer in Augenschein. Die Möbel stammten aus den Sechzigerjahren. Vinylsofa und -sessel, Beistelltische, deren Stil man früher als dänische Moderne bezeichnet hatte, kitschige Tierfigürchen mit anthropomorphen Gesichtern. Schalen mit Potpourri - die dem Katzengestank wohl etwas entgegensetzen sollten -, standen auf Schonbezügen aus Spitze, die als Untersetzer dienten. Barbara verspürte einen Glücksrausch, als sie die Spitze sah: Kimmo Thornes Lendentuch in St. George's Gardens. Es kam definitiv Bewegung in die Dinge.
Sie sah sich nach Anzeichen um, dass sich hier unlängst jemand aufgehalten hatte - in mörderischer Absicht -, und entdeckte als Erstes in der Küche einen Teller, eine Gabel und ein Glas im Spülbecken.
Hast du ihm was zu essen gemacht, bevor du ihn vergewaltigt hast, du Drecksack? Oder hast du dich selbst gestärkt, während der Junge dir einen letzten Zaubertrick vorgeführt hat, dem du Applaus gezollt und für den du ihm eine ganz tolle Belohnung versprochen hast? Komm näher, Davey, mein Junge. Gott, was bist du für ein hübsches Kerlchen. Hat dir das schon mal jemand gesagt? Nein? Warum denn nicht? Es ist doch offensichtlich.
Auf dem Fußboden in der Ecke lag Trockenfutter verstreut, der große Wassernapf war leer. Barbara holte sich ein Geschirrtuch, um ihn damit anzufassen, und füllte ihn auf. Die Katze konnte ja nichts dafür, sagte sie sich. Kein Grund, sie länger leiden zu lassen. Und gelitten hatte Mandy seit der Nacht, in der Davey Benton ermordet worden war. Unter keinen Umständen hätte der Mörder es riskieren können, hierher zurückzukehren, nachdem Davey tot war, da es auf der Straße von Polizisten wimmelte, die einen Zeugen suchten.
Sie ging auf der Suche nach Hinweisen von der Küche zurück ins Wohnzimmer. Hier drinnen irgendwo musste er Davey Benton vergewaltigt und erdrosselt haben, aber den Rest hatte er sicher erledigt, nachdem er die Leiche in den Wald geschafft hatte.
Sie ging ins Schlafzimmer, wo sie ebenfalls die Vorhänge öffnete, um den Raum im rasch schwindenden Nachmittagslicht betrachten zu können. Ein Bett mit ordentlich glatten Federkissen und Tagesdecke; ein Nachttisch mit einem altmodischen Aufziehwecker und einer Lampe; eine Kommode mit zwei gerahmten Fotos darauf.
Es sah alles so normal aus. Bis auf ein Detail: Die Schranktür stand einen Spalt offen. Darin konnte Barbara einen geblümten Bademantel erkennen, der schief auf einem Bügel hing. Sie holte ihn heraus. Der Gürtel fehlte.
Lass mich dir einen Knotentrick zeigen, hatte er sicher gesagt, und Barbara konnte seine einschmeichelnde Stimme förmlich hören. Es ist der einzige Trick, den ich kenne, Davey, und
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