13 - Wo kein Zeuge ist
Blickwinkel er bei diesem Interview einnehmen sollte, Sir.«
Hilliers Gesicht verfärbte sich dunkel. Die Farbe stieg von seinem Hals auf wie eine rubinrote Flüssigkeit unter der Haut. »Ich will überhaupt nicht wissen, was Sie damit andeuten wollen.«
Lynley bemühte sich, ruhig zu sprechen. »Sir, erlauben Sie mir, dies ganz deutlich zu sagen: Sie stehen unter Druck. Ich stehe unter Druck. Die Öffentlichkeit ist aufgebracht. Die Presse ist gnadenlos. Irgendetwas muss geschehen, um die Gemüter dort draußen zu beruhigen - das ist mir bewusst -, aber ich kann nicht zulassen, dass ein Klatschreporter in den Privatangelegenheiten einzelner Beamter herumschnüffelt.«
»Sie werden keine Entscheidungen in Frage stellen, die an höherer Stelle getroffen wurden. Haben Sie das verstanden?«
»Ich werde jede Entscheidung in Frage stellen, wenn es nötig wird, und zwar jedes Mal, wenn etwas passiert, was die Arbeit meiner Leute beeinträchtigen könnte. Eine Story über Winston - in der sein erbärmlicher Bruder vorkommt, denn Sie und ich wissen beide, dass die Source beabsichtigte, das Gesicht von Harold Nkata gleich neben Winstons abzudrucken ... Kain und Abel, Esau und Jakob, der verlorene Sohn, der für immer verloren bleiben wird, wie immer Sie ihn nennen wollen ... Eine solche Story über Winston zu einem Zeitpunkt, wo er schon damit fertig werden muss, der Öffentlichkeit bei Pressekonferenzen vorgeführt zu werden ... Das geht einfach nicht, Sir.«
»Sie wagen es, zu behaupten, Sie wüssten besser als unsere Leute, wie man mit der Presse umgeht? Dass Sie - zweifellos von der großen Höhe herab sprechend, die allein Ihr Privileg ist ...«
»Sir.« Lynley wollte sich auf keine Schlammschlacht mit dem Assistant Commissioner einlassen. Fieberhaft suchte er nach einem anderen Ansatz. »Winston ist zu mir gekommen.«
»Und er hat Sie gebeten zu intervenieren?«
»Keineswegs. Er ist ein Teamspieler. Aber er erwähnte, dass Corsicos Schwerpunkt bei dieser Story auf der Perspektive ›guter Bruder - böser Bruder‹ liegen würde, und er war besorgt, dass seine Eltern ...«
»Seine gottverdammten Eltern kümmern mich nicht!« Unvermittelt war Hilliers Stimme angeschwollen. »Er hat eine Story, und ich will, dass sie erzählt wird. Ich will, dass sie wahrgenommen wird. Ich will, dass das geschieht und dass Sie dafür Sorge tragen.«
»Das kann ich nicht.«
»Sie werden, verflucht noch mal ...«
»Augenblick. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich werde das nicht tun.« Und ehe Hillier ihn unterbrechen konnte, fuhr Lynley fort und bemühte sich, ruhig und sachlich zu bleiben. »Sir, es war eine Sache, dass Corsico in meinen Angelegenheiten herumgegraben hat. Er hat es mit meiner Einwilligung getan, und von mir aus kann er damit fortfahren, wenn es unserer Position förderlich ist. Aber es ist eine völlig andere Sache, wenn er das mit einem meiner Männer tut, insbesondere mit einem, der das sich selbst und seiner Familie nicht antun will. Ich habe das zu respektieren. Und Sie ebenfalls.«
Schon als seine Lippen die Worte formten, wusste er, dass er diese letzte Bemerkung nicht hätte machen sollen. Es war genau das, worauf Hillier anscheinend gewartet hatte.
»Das ist gottverdammte Insubordination!«, brüllte Hillier.
»Das ist Ihre Sichtweise. Meine ist, dass Winston Nkata nicht Teil einer Publicitykampagne sein will, die genau die Menschen beschwichtigen soll, die von Scotland Yard wieder und wieder im Stich gelassen worden sind. Das kann man ihm wohl kaum verübeln. Und ich werde ihm keinen Vorwurf machen oder ihm den Befehl erteilen, zu kooperieren. Wenn die Source beabsichtigt, die Kümmernisse seiner Familie eines Morgens auf die Titelseite zu schmieren, dann ist das ...«
»Das reicht!« Hillier stand am Rande einer Klippe. Ob der Abgrund, in den er stürzen würde, ein Zornesausbruch war, ein Schlaganfall oder eine Tat, die sie beide bereuen würden, blieb abzuwarten. »Sie verfluchtes, unloyales Stück ... Sie kommen hierher aus Ihrem privilegierten Leben und wagen es ... Sie wagen es ... Sie wollen mir sagen ...«
Im gleichen Moment entdeckten sie Harriman, die kreidebleich an der Tür stand, die Hillier beim Eintreten offen gelassen hatte. Zweifellos, dachte Lynley, erreicht die Lautstärke unserer gegenseitigen Abneigung jedes Ohr auf dem Flur.
»Raus hier!«, schnauzte Hillier sie an. »Was fällt Ihnen ein?« Er trat zur Tür, als wolle er sie Harriman vor der Nase
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