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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zusammen«, sagte sie. »Um Himmels willen, was ist passiert?«
    »Seine Frau«, antwortete Harriman weinend.
    »Wessen Frau? Welche Frau?« Barbara spürte, wie Angst sie plötzlich durchströmte, weil ihr im Moment nur eine Ehefrau einfiel, deretwegen die Abteilungssekretärin sie anrufen würde. »Ist Helen Lynley etwas passiert? Hat sie das Baby verloren, Dee? Was ist los?«
    »Angeschossen.« Harriman presste das Wort heraus. »Die Frau des Superintendent ist angeschossen worden.«
    Lynley sah, dass St. James nicht mit seinem alten MG gekommen war, sondern in einem Streifenwagen, der ihn mit Blaulicht und Sirene vom St.-Thomas-Krankenhaus hierher gebracht hatte. Jedenfalls nahm er das an, denn auf diese Art kehrten sie auf die andere Seite der Stadt zurück. Sie saßen auf der Rückbank, während zwei Constables von der Belgravia-Wache mit grimmigen Gesichtern auf den Vordersitzen saßen. Die Fahrt dauerte nur Minuten, doch ihm kam es wie Stunden vor, und die ganze Zeit teilte der Verkehr vor ihnen sich wie die Fluten des Roten Meeres.
    Sein alter Freund hatte eine Hand auf seinen Arm gelegt, als erwarte er, dass Lynley aus dem Wagen springen und die Flucht ergreifen könnte. Er sagte: »Sie wird von einem Traumateam behandelt. Sie hat Bluttransfusionen bekommen. Das ist üblich. Null negativ, sagten sie. Aber das weißt du ja. Natürlich weißt du das.« St. James räusperte sich, und Lynley sah ihn an. In diesem Moment kam ihm in den Sinn, dass St. James Helen auch einmal geliebt und vor vielen Jahren selbst beabsichtigt hatte, sie zu heiraten.
    »Wo?« Lynleys Stimme klang rau. »Simon, ich hatte Deborah gesagt ... Ich habe ihr gesagt, sie soll ...«
    »Tommy.« St. James' Griff wurde fester.
    »Wo also? Wo?«
    »Eaton Terrace.«
    »Zu Hause?«
    »Helen war müde. Sie hatten den Wagen geparkt und ihre Einkäufe vor der Haustür abgeladen. Deborah hat den Bentley in die Garage gefahren, und als sie zum Haus zurückkam ...«
    »Sie hat nichts gehört? Nichts gesehen?«
    »Sie lag auf den Eingangsstufen. Zuerst dachte Deborah, sie sei ohnmächtig geworden.«
    Lynley hob die Hand an die Stirn. Er presste sie gegen die Schläfe, als könne ihm das helfen, es zu verstehen. »Wie konnte sie nur glauben ...«, begann er.
    »Es war praktisch kein Blut zu sehen. Und ihr Mantel - Helens Mantel - war dunkel. Ist er marineblau? Schwarz?«
    Sie wussten beide, dass die Farbe bedeutungslos war, aber das war etwas, woran man sich klammern konnte, und sie mussten sich daran klammern oder dem Unvorstellbaren ins Gesicht blicken.
    »Schwarz«, sagte Lynley. »Er ist schwarz.« Kaschmir, und er reichte ihr fast bis zu den Knöcheln. Sie trug ihn am liebsten mit Stiefeln, deren Absätze so hoch waren, dass sie abends über sich selbst lachte, wenn sie zum Sofa hinkte, sich darauf fallen ließ und behauptete, sie sei ein wehrloses Opfer männlicher italienischer Schuhdesigner, die Fantasien von Frauen mit Ketten und Peitschen hatten. »Tommy, rette mich vor mir selbst«, sagte sie immer. »Nur abgebundene Füße könnten schlimmer sein als das hier.«
    Lynley schaute aus dem Fenster. Er sah Gesichter vorbeihuschen und erkannte, dass sie die Westminster Bridge erreicht hatten, wo die Menschen in ihren eigenen, kleinen Welten gefangen waren, und der Sirenenklang und der Anblick eines vorbeirasenden Streifenwagens ließ sie nur einen Moment innehalten, um sich zu fragen: Wer? Was? Und dann vergaßen sie es, weil es sie nicht betraf.
    »Wann?«, fragte er St. James. »Um wie viel Uhr?«
    »Gegen halb vier. Sie hatten vor, bei Claridge's Tee zu trinken, aber weil Helen müde war, sind sie nach Hause gefahren. Sie wollten ihn dort trinken. Sie hatten ... ich weiß nicht ... Teekuchen oder Törtchen oder so etwas besorgt.«
    Lynley bemühte sich, das zu begreifen. Es war sechzehn Uhr fünfundvierzig. Er sagte: »Eine Stunde? Über eine Stunde? Wie kann das sein?«
    St. James antwortete nicht sofort. Lynley wandte sich ihm zu und erkannte, wie erschüttert und eingefallen sein Freund aussah, mehr als üblich, war St. James doch von Natur aus ein hagerer Mann mit kantigen Zügen. »Simon, warum, in Gottes Namen?«, fragte Lynley. »Über eine Stunde?«
    »Es hat zwanzig Minuten gedauert, bis der Krankenwagen da war.«
    »Jesus«, flüsterte Lynley. »O mein Gott.«
    »Und dann wollte ich nicht, dass sie es dir am Telefon sagen. Wir mussten auf einen zweiten Streifenwagen warten - die Beamten aus dem ersten mussten im Krankenhaus bleiben ...

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