13 - Wo kein Zeuge ist
Freund hob eine Hand: eine Warnung, eine Bitte. Was es war, wusste er nicht, und es war ihm auch gleichgültig. Es gab nur Helen. Er sagte: »Ich stecke mitten in einer Ermittlung. Eine Mordserie. Ein einzelner Täter. Wie, um Himmels willen, bist du auf die Idee gekommen, es könnte irgendwo sicher sein?«
Die Frage traf Deborah wie ein Schlag. St. James sagte Lynleys Namen, aber sie unterbrach ihn mit einer Bewegung ihres Kopfes und sagte: »Ich habe den Wagen geparkt. Dann bin ich durch die Gasse zurückgegangen.«
»Hast du nichts gehört ...«
»Nicht das Geringste. Ich kam um die Ecke zurück zu Eaton Terrace, und was ich sah, waren die Einkaufstüten auf dem Boden. Und dann habe ich sie entdeckt. Sie lag zusammengekrümmt ... Ich dachte, sie ist ohnmächtig, Tommy. Es war niemand da, niemand in der Nähe, keine Menschenseele. Ich dachte, sie ist ohnmächtig.«
»Ich hab dir gesagt, du sollst dafür sorgen, dass niemand ...«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Ich weiß. Aber wie sollte ich das verstehen? Ich habe an Grippe gedacht, dass ihr jemand ins Gesicht niesen könnte. Ich hab gedacht, Tommy ist der übermäßig besorgte Ehemann, weil mir nicht klar war ... Verstehst du das nicht, Tommy? Woher sollte ich das wissen? Denn es ist Helen, über die wir hier reden, und Belgravia, wo man doch meinen sollte ... Und eine Schusswaffe. Wie, in aller Welt, sollte ich auf eine Schusswaffe kommen?«
Sie begann, bitterlich zu weinen, und St. James sagte, sie habe jetzt genug geredet. Aber Lynley wusste, sie konnte nie genug sagen, um zu erklären, wie seine Frau, wie die Frau, die er liebte ...
»Und was dann?«, fragte er.
»Tommy ...«, begann St. James.
Debroah sagte: »Nein, Simon. Bitte.« Und zu Lynley: »Sie lag auf der oberen Stufe, den Hausschlüssel in der Hand. Ich habe versucht, sie aufzuwecken. Ich dachte, sie ist in Ohnmacht gefallen, denn es war kein Blut zu sehen, Tommy. Kein Blut. Nicht so, wie man es sich vorstellt, wenn jemand ... Ich hatte so was noch nie gesehen ... Ich wusste doch nicht ... Aber dann hat sie gewimmert, und ich habe gemerkt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Ich hab den Notruf angerufen, und dann hab ich sie in die Arme genommen, um sie warm zu halten, und dann ... Auf einmal war Blut an meiner Hand. Zuerst dachte ich, ich hätte mich verletzt, und ich habe nachgeschaut wie und wo, aber dann hab ich gemerkt, dass es nicht von mir kam, und ich dachte, das Baby. Aber ihre Beine. Helens Beine ... Ich meine, es war kein Blut, wo man es erwarten würde ... Und das war auch anderes Blut, es sah anders aus, weil ich doch weiß, verstehst du, Tommy ...«
Trotz seiner eigenen Verzweiflung war er doch in der Lage, die ihre zu spüren, und das war es, was schließlich zu ihm durchdrang. Sie wusste, wie das Blut bei einer Fehlgeburt aussah. Sie selbst hatte ... wie viele erlitten? Er wusste es nicht. Er setzte sich, nicht neben Deborah und ihren Mann, sondern gegenüber auf den Stuhl, den Terence Fire benutzt hatte.
Er sagte: »Du dachtest, sie hätte das Baby verloren.«
»Zuerst. Aber dann hab ich das Blut auf ihrem Mantel entdeckt. Weit oben, hier.« Sie zeigte auf einen Punkt unterhalb ihrer linken Brust. »Ich hab noch mal den Notruf angerufen und gesagt: ›Sie blutet, sie blutet. Beeilen Sie sich.‹ Aber die Polizei kam zuerst.«
»Zwanzig Minuten«, sagte Lynley. »Zwanzig gottverdammte Minuten.«
»Ich hab dreimal angerufen«, erklärte Deborah. »Wo bleibt der Krankenwagen, hab ich gefragt. Sie blutet. Sie blutet. Aber ich wusste immer noch nicht, dass sie angeschossen war, verstehst du. Tommy, wenn ich gewusst hätte ... Wenn ich ihnen das gesagt hätte ... Aber ich bin einfach nicht darauf gekommen. Nicht in Belgravia ... Tommy, wer schießt in Belgravia auf Leute?«
Bildschöne Frau, Superintendent. Dieser verdammte Artikel in der Source, komplett mit Fotos des lächelnden Polizei-Superintendent und seiner hinreißenden Frau. Und einen Adelstitel hatte er obendrein, kein Durchschnittsbulle.
Impulsiv stand Lynley auf. Er würde ihn finden. Er würde ihn finden.
St. James sagte: »Tommy, nein. Lass die Polizei von Belgravia ...« Und erst da wurde Lynley klar, dass er es laut ausgesprochen hatte.
»Ich kann nicht«, erwiderte er.
»Das musst du. Du wirst hier gebraucht. Sie wird gleich aus dem OP kommen. Dann wollen die Ärzte sicher mit dir sprechen. Sie wird dich brauchen.«
Lynley ging Richtung Tür, aber das war offenbar der Grund, warum die
Weitere Kostenlose Bücher