13 - Wo kein Zeuge ist
Gerechtigkeit zuzuführen.
Unten in der Tiefgarage saß er einen Moment untätig in seinem Escort und dachte über diese Verpflichtungen nach und darüber, was sie erforderten: Handeln im Angesicht von Furcht. Er hätte sich ohrfeigen können, dass er diese Furcht überhaupt empfand. Er war neunundzwanzig Jahre alt, verdammt noch mal. Er war Polizeibeamter.
Das allein sollte doch etwas gelten, und das hätte es auch, wären die Umstände anders gewesen. Nur galt es in dieser Situation überhaupt nichts, wo er mit der Tatsache, dass er Polizist war, keinen Eindruck schinden konnte. Aber das war nicht zu ändern. Er war auch ein Mann, und ein Mann wurde gebraucht.
Nkata holte tief Luft und fuhr los. Er überquerte den Fluss Richtung South London. Doch statt nach Hause zu fahren, machte er einen Umweg vorbei an der halbrunden Mauer des Oval-Cricket-Stadions und fuhr die Kennington Road entlang Richtung Kennington Station.
Diese U-Bahn-Station war sein Ziel, und er fand sogar einen Parkplatz in der Nähe. An einem Kiosk kaufte er einen Evening Standard und nutzte die Zeit, die das in Anspruch nahm, um Mut für den Weg die Braganza Street hinab zu sammeln.
An ihrem Ende erhob sich aus einem Parkplatz Arnold House, das zur Doddington-Grove-Siedlung gehörte. Dem Gebäude gegenüber lag ein Gartencenter hinter einem Maschendrahtzaun, und an diesen Zaun lehnte sich Nkata, seine neue Zeitung zusammengefaltet unter dem Arm und seinen Blick unverwandt auf den überdachten Außenflur des dritten Stocks und die fünfte Wohnungstür von links gerichtet.
Es wäre ein Leichtes gewesen, die Straße und den Parkplatz zu überqueren und zum Haus zu gehen. Einmal dort, standen die Chancen gut, dass ihm der Aufzug zur Verfügung gestanden hätte, denn meistens war das Zahlenfeld, das den Rufknopf mit einem Code sicherte, kaputt. Was war also so schwierig daran, hinüberzugehen, nach oben zu fahren und an der Tür zu klingeln? Er hatte einen guten Grund, das zu tun: Jungen wurden in London ermordet, gemischtrassige Jungen, und in der Wohnung da oben wohnte Daniel Edwards, dessen weißer Vater tot, dessen schwarze Mutter aber höchst lebendig war. Aber genau das war das Problem, richtig? Sie war das Problem. Yasmin Edwards.
»Sie hat gesessen, Goldstück«, hätte seine Mutter gesagt, wenn er je den Mut gefunden hätte, ihr von Yasmin zu erzählen. »Was, in aller Welt, denkst du dir nur dabei?«
Diese Frage war leicht zu beantworten. Ich denke an ihre Haut, Mom, und wie sie schimmert, wenn eine Lampe darauf scheint. Ich denke an ihre Beine, die um einen Mann geschlungen sein sollten, der sie will. Ich denke an ihren Mund, an die Rundung ihres Hinterns und daran, wie ihre Brust sich hebt und senkt, wenn sie wütend ist. Sie ist groß, Mum. So groß wie ich. Eine gute Frau, die einen sehr schweren Fehler gemacht hat, für den sie bezahlt hat, wie es sich gehört.
Und davon abgesehen, war Yasmin Edwards gar nicht der Punkt. Sie war auch nicht der Gegenstand seiner Verpflichtung. Das war Daniel, der mit beinah zwölf Jahren zur Zielgruppe des Mörders gehören konnte. Denn wer konnte schon sagen, wie der Killer seine Opfer auswählte? Niemand. Und so lange sie das nicht wussten, konnte er - Winston Nkata - sich nicht davor drücken, eine Warnung auszusprechen, die vielleicht nötig war.
Alles, was er tun musste, war, die Straße zu überqueren, ein paar Autos auf dem erbärmlichen Parkplatz zu umrunden, darauf zu hoffen, dass das Zahlenfeld am Aufzug kaputt war, den Rufknopf zu drücken und dann an diese Tür zu klopfen. Dazu war er absolut in der Lage.
Und er würde es tun. Später, schwor er sich. Doch als er gerade den Fuß heben wollte, um den ersten von wie vielen Schritten auch immer zu tun, um zu Yasmin Edwards Tür zu gelangen, sah er die Frau auf dem Gehweg.
Sie kam nicht von der U-Bahn-Station, sondern aus der entgegengesetzten Richtung. Jenseits der Gärten am Ende der Braganza Street lag ihr kleines Geschäft am Manor Place, wo sie schwarzen Frauen, die körperlich und seelisch krank waren, Hoffnung in Form von Make-up, Perücken und kosmetischer Behandlung bot.
Als Nkata sie kommen sah, glitt er zurück gegen den Zaun und in eine Insel aus Schatten. Er hasste sich für diese Reaktion, aber er konnte einfach nicht auf sie zugehen, wie er eigentlich sollte.
Yasmin hielt zielstrebig auf Doddington Grove Estate zu. Sie nahm den Mann im Schatten nicht wahr, und schon das war Grund genug, mit ihr zu sprechen. Eine gut
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