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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Barbara der Verdacht kam, hier ginge es um viel mehr als um Hadiyyahs Beugung der Wahrheit.
    »Okay, verstehe«, sagte sie. »Aber sie ist todunglücklich. Was immer Sie ihr klar machen wollten, ich denke, es ist angekommen.«
    »Das hoffe ich. Sie muss lernen, dass ihre Handlungen Konsequenzen haben, und sie muss es als Kind lernen.«
    »Da widerspreche ich nicht. Aber ...« Barbara zog an ihrer Zigarette, ehe sie sie auf die Eingangsstufe fallen ließ und austrat. »Aber ich finde, sie zu zwingen, ihren Fehltritt vor mir einzugestehen - praktisch in einer Art Öffentlichkeit, verstehen Sie? -, ist Strafe genug. Ich meine, Sie sollten sie die CD behalten lassen.«
    »Ich habe mich entschieden.«
    »Aber Sie könnten doch einlenken, oder?«
    »Wenn man zu weit einlenkt, verbiegt man sich«, entgegnete er.
    »Und dann?«, fragte Barbara. Als er nicht antwortete, fuhr sie leise fort: »Hadiyyahs Lüge ... Das ist nicht wirklich das, worum es hier geht, oder, Azhar?«
    »Ich lasse nicht zu, dass sie damit anfängt«, erwiderte er und schickte sich an, sich zu verabschieden. »Ich habe Sie lange genug von Ihrem Toast abgehalten«, sagte er höflich und trat den Heimweg an.
    Trotz seines Gesprächs mit Barbara Havers und ihres Zuspruchs in dieser Sache fühlte Winston Nkata sich nicht wohl in seinem Rang als Detective Sergeant. Er hatte damit gerechnet, dass er sich wohl fühlen würde - und das war das wirklich Schlimme daran -, aber die Zufriedenheit wollte sich einfach nicht einstellen, und der Trost, den er sich von seiner Arbeit erhofft hatte, war ihm über weite Strecken seiner bisherigen Laufbahn verwehrt geblieben.
    Als er in den Polizeidienst getreten war, hatte sein Job ihn nicht beunruhigt. Aber es hatte nicht lange gedauert, bis er begriffen hatte, was es in der Realität bedeutete, ein schwarzer Cop in einer von Weißen dominierten Welt zu sein. Zuerst war es ihm in der Kantine aufgefallen, die verstohlenen Blicke, die ihm zugeworfen wurden und dann hastig zu jemand anderem weiterglitten. Dann hatte er es an den Unterhaltungen gemerkt, die immer ein wenig vorsichtiger wurden, sobald er sich seinen Kollegen anschloss. Dann an der Art, wie er begrüßt wurde: Immer mit einem Hauch mehr Leutseligkeit als den weißen Cops entgegengebracht wurde, wenn er sich zu einer Gruppe an den Tisch setzte. Er hasste es, wenn die Kollegen so krampfhaft bemüht waren, tolerant zu erscheinen, sobald er auftauchte. Allein die Tatsache, dass sie so sorgsam darauf achteten, ihn wie einen, der dazugehörte, zu behandeln, gab ihm das Gefühl, dass er niemals wirklich dazugehören würde.
    Anfangs hatte er sich gesagt, dass er das sowieso nicht wollte. Es war so schon hart genug, wenn er durch Loughborough Estate ging, die Siedlung, wo er wohnte, und hörte, wie sie ihn eine dreckige Kokosnuss nannten. Wie viel schlimmer würde das erst werden, wenn er eines Tages tatsächlich Teil des weißen Establishments wäre. Trotzdem hasste er es, von seinen eigenen Leuten als Mogelpackung bezeichnet zu werden. Wenngleich er sich die Ermahnung seiner Mutter ins Gedächtnis rief, dass »niemand ein Stuhl wird, nur weil irgendein Ignorant ihn einen Stuhl nennt«, fand er es doch zunehmend schwierig, sich in die Richtung zu bewegen, in die er wollte: nach oben.
    »Goldstück, mein lieber Junge«, hatte seine Mutter gesagt, als er sie am Telefon mit der Neuigkeit von seiner Beförderung überrascht hatte. »Es spielt überhaupt keine Rolle, warum sie dich befördert haben. Entscheidend ist, dass sie's getan haben, und jetzt kriegst du deine Chance. Ergreif sie mit beiden Händen, und schau nicht zurück.«
    Aber das konnte er nicht. Stattdessen bedrückte ihn AC Hilliers plötzliche Aufmerksamkeit, war er zuvor doch nur ein Gesicht in der Masse gewesen, dem der Assistant Commissioner keinen Namen hätte zuordnen können, selbst wenn sein Leben davon abhinge.
    Und doch hatte seine Mutter natürlich vollkommen Recht. Ergreif die Chance. Er musste noch lernen, wie man das machte. Und das Thema sich bietender Chancen erstreckte sich auf mehr als einen Bereich seines Lebens, und das beschäftigte ihn, nachdem Barb Havers Feierabend gemacht hatte.
    Er betrachtete die Fotos der toten Jungen ein letztes Mal, bevor auch er Scotland Yard verließ. Er schaute sie an, um sich ins Gedächtnis zu rufen, dass sie jung waren - schrecklich jung -, und aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit hatte Nkata Verpflichtungen, die darüber hinausgingen, ihren Mörder der

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