13 - Wo kein Zeuge ist
sich von den Schuhen zu trennen«, regte er an.
»Ja bitte?«, fragte der junge Mann. Er zog unter der Theke eine grellgelbe Tüte hervor, die den Aufdruck »Mr. Sandwich« trug, entnahm ihr ein Wurstbrot und eine Tüte Chips und begann, in aller Seelenruhe zu essen. Die Bullen konnten seinen Tagesablauf nicht durcheinander bringen, das sollte ihnen diese Reaktion wohl vermitteln.
Auch wenn es vollkommen überflüssig schien, zeigte Lynley dem rothaarigen jungen Mann seinen Dienstausweis. Die anderen beiden ignorierte er für den Moment. Ein Namensschild auf dem Tresen verriet, dass er sich und Havers einem gewissen Jack Veness vorstellte, der vollkommen unbeeindruckt von der Tatsache schien, dass die beiden Polizeibeamten von New Scotland Yard kamen.
Veness warf einen Beifall heischenden Blick zu den Kartenspielern hinüber und wartete dann einfach, dass jemand das Wort ergriff. Er biss in sein Wurstbrot, bediente sich von seinen Chips und sah zur Wanduhr über der Tür hinüber. Oder vielleicht schaute er auch zur Tür selbst, dachte Lynley, in der Hoffnung, dass ein Retter eintreten werde. Oberflächlich betrachtet schien Veness die Ruhe selbst, aber er strahlte eine gewisse Nervosität aus.
Sie hätten gern den Leiter von Colossus gesprochen, erklärte Lynley Jack Veness, oder sonst irgendjemanden, der ihnen Auskunft über einen ihrer Klienten geben könne - falls das der richtige Ausdruck sei, fügte er hinzu -, nämlich Kimmo Thorne.
Der Name hatte in etwa den Effekt wie ein Fremder, der in einem alten Western einen Saloon betritt. Unter anderen Umständen wäre Lynley vielleicht amüsiert gewesen: Die Kartenspieler vergaßen ihre Partie, legten ihr Blatt auf den Tisch und machten keinen Hehl daraus, dass sie jedes Wort zu hören gedachten, das gesprochen wurde, und Jack Veness hörte auf zu kauen. Er legte das Wurstbrot auf die Mr.-Sandwich-Tüte und rollte mit seinem Stuhl von der Rezeptionstheke zurück. Lynley dachte, er wolle jemanden holen, aber stattdessen ging Veness zu einem Wasserspender. Dort füllte er einen Colossus-Becher aus dem Heißwassertank, nahm einen Teebeutel und tunkte ihn ein paar Mal hinein.
Havers verdrehte die Augen. »Jetzt entschuldigen Sie mal«, sagte sie. »Stimmt was nicht mit Ihrem Hörgerät oder so?«
Veness kam zurück und stellte den Becher auf die Theke. »Ich höre Sie einwandfrei. Ich überlege nur noch, ob es die Mühe wert ist, Ihnen zu antworten.«
Am anderen Ende des Raums stieß EuroDisney einen leisen Pfiff aus. Sein Gefährte senkte den Kopf. Veness wirkte erfreut, dass er ihre Zustimmung gefunden hatte. Lynley entschied, dass es genug war.
»Sie können über diese Frage auch gern in einem Verhörzimmer nachdenken, wenn Sie möchten«, sagte er zu Veness.
Und Havers fügte hinzu: »Wir tun Ihnen gern den Gefallen. Immer im Dienste der Bürger und so weiter, versteh'n Sie.«
Veness setzte sich. Er stopfte sich ein Stück Wurstbrot in den Mund und antwortete: »Jeder kennt jeden bei Colossus. Das gilt auch für Thorne. So läuft das hier. Das ist der Grund, warum es überhaupt läuft.«
»Das gilt auch für Sie, wenn ich es recht verstehe?«, erkundigte sich Lynley. »In Bezug auf Kimmo Thorne?«
»Sie verstehen das ganz richtig«, stimmte Veness zu.
»Und was ist mit Ihnen beiden?«, fragte Havers die Kartenspieler. »Kannten Sie Kimmo Thorne auch?« Sie zog ihr Notizbuch aus der Tasche, während sie die Frage stellte. »Wie heißen Sie übrigens?«
EuroDisney wirkte überrascht, weil er plötzlich auch verhört wurde, doch er antwortete bereitwillig, sein Name sei Robbie Kilfoyle. Er fügte hinzu, dass er nicht wie Jack bei Colossus angestellt sei, sondern ehrenamtlich ein paar Tage pro Woche hier arbeite, und heute sei einer dieser Tage. Der andere Junge stellte sich als Mark Connor vor. Er erklärte, heute sei Tag vier seiner Einstufung.
»Das heißt, er ist noch neu hier«, erklärte Veness.
»Also kann er Kimmo nicht gekannt haben«, fügte Kilfoyle hinzu.
»Aber Sie kannten ihn?«, fragte Havers. »Obwohl Sie hier nicht fest angestellt sind?«
»Hey, hör'n Sie, das hat er nicht gesagt«, warf Veness ein.
»Sind Sie sein Anwalt?«, fuhr Havers ihn an. »Nein? Dann nehme ich an, dass er selbst antworten kann.« Und wieder an Kilfoyle gewandt: »Kannten Sie Kimmo Thorne? Wo arbeiten Sie?«
Unerklärlicherweise ließ Veness nicht locker. »Lassen Sie ihn zufrieden. Er bringt uns die Sandwiches, okay?«
Kilfoyle machte ein finsteres
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