Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Gesicht. Vielleicht beleidigte ihn der wegwerfende Tonfall. »Wie ich schon sagte: Ich arbeite ehrenamtlich hier«, erklärte er. »Am Telefon oder in der Küche. Und ich helfe im Geräteraum, wenn da das Chaos ausbricht. Also hab ich Kimmo hier natürlich gesehen. Ich kannte ihn.«
    »Wer kannte den nicht«, bemerkte Veness. »Und wo wir gerade davon reden, heute Nachmittag geht eine Gruppe auf den Fluss raus. Hast du Zeit, die zu übernehmen, Rob?« Er bedachte Kilfoyle mit einem langen Blick, als wolle er ihm noch etwas anderes sagen.
    »Ich kann dir helfen, Rob«, erbot sich Mark Connor.
    »Klar«, sagte Kilfoyle. Und zu Jack Veness: »Willst du, dass ich das Zeug jetzt sofort raushole, oder was?«
    »Jetzt sofort wäre klasse.«
    »Also dann.«
    Kilfoyle sammelte die Karten ein und ging in Marks Begleitung zu einer Tür, die ins Innere des Gebäudes führte. Im Gegensatz zu den anderen trug Kilfoyle eine Windjacke statt eines Sweatshirts, und sie zeigte nicht das Colossus-Logo, sondern ein gefülltes Baguette mit Ärmchen und Beinchen und dem Schriftzug »Mr. Sandwich« darunter.
    Der Abgang der beiden führte aus irgendeinem Grund zu einer kompletten Veränderung in Jack Veness' Auftreten. Als sei ein unsichtbarer Schalter in seinem Innern betätigt worden, machte der junge Mann eine 180-Grad-Wende. Er sagte zu Lynley und Havers: »Okay. Tut mir Leid. Ich kann ein richtiger Scheißkerl sein, wenn ich will. Wissen Sie, ich wollte zur Polizei, aber ich hab's nicht geschafft. Es ist einfacher, euch die Schuld zu geben, als mich selbst anzuschauen und zu fragen, warum ich es nicht gepackt habe.« Er schnipste mit den Fingern und lächelte. »Nicht übel als Psychoanalyse aus dem Stegreif, oder? Fünf Jahre Therapie, und der Mann ist geheilt.«
    Veness' Verwandlung hatte etwas Beunruhigendes, so als entdecke man zwei Persönlichkeiten in einem Menschen. Man kam gar nicht umhin, sich zu fragen, ob die Anwesenheit von Kilfoyle und Connor etwas mit seinem Verhalten zu tun gehabt hatte. Aber Lynley nahm die Veränderung kommentarlos hin und brachte die Sprache nochmals auf Kimmo Thorne. Havers schlug ihr Notizbuch auf. Der neue, geläuterte Jack Veness zuckte nicht mit der Wimper.
    Er berichtete unumwunden, dass er Kimmo gekannt hatte, und zwar seit der Junge zu Colossus geschickt worden war. Schließlich leitete er ja den Empfang der Organisation. Jeder, der kam, ging oder blieb, war ihm sehr bald bekannt. Er machte es sich zur Aufgabe, sie zu kennen, unterstrich er. Das war Teil seines Jobs.
    »Wieso?«, wollte Lynley wissen.
    »Weil man nie wissen kann, oder?«, erwiderte Veness.
    »Was wissen?«, warf Havers ein.
    »Womit man es zu tun hat. Bei denen da.« Mit diesen Worten zeigte Veness auf die jungen Leute, die draußen auf dem Parkplatz standen und rauchten. »Sie kommen aus jedem nur denkbaren Umfeld. Von der Straße, aus dem Heim, aus dem Jugendknast, aus der Drogentherapie oder aus den Gangs, wo sie Betrügereien abziehen, mit Waffen handeln oder dealen. Es hat keinen Sinn, ihnen zu trauen, ehe sie mir keinen Grund geben, ihnen zu trauen. Also halt ich die Augen offen.«
    »Galt das auch für Kimmo?«, fragte Lynley.
    »Das gilt für alle«, antwortete Veness. »Für die Gewinner ebenso wie für die Verlierer.«
    Bei dieser Bemerkung übernahm Havers das Ruder. »Und wie stand es mit Kimmo?«, fragte sie. »Hat er irgendwas getan, um Sie gegen sich aufzubringen?«
    »Mich nicht.«
    »Sondern jemand anderen?«
    Veness befingerte versonnen sein Wurstbrot.
    »Wenn es irgendetwas gibt, das wir wissen sollten ...«, begann Lynley.
    »Er war ein Hinschmeißer«, erklärte Veness. »Ein Verlierer. Verstehen Sie, das passiert eben manchmal. Die Kids kriegen hier eine Chance. Sie müssen nur an Bord kommen. Aber manchmal bleiben sie einfach weg - selbst Kimmo, der als Auflage hatte, herzukommen, und andernfalls im Handumdrehen im Jugendknast gelandet wär -, und das krieg ich einfach nicht in den Schädel, versteh'n Sie. Man sollte doch meinen, dass er jede Chance ergreift, die ihm da raushilft. Aber das hat er nicht getan. Er ist einfach nicht mehr hergekommen.«
    »Seit wann ist er nicht mehr gekommen?«
    Jack Veness überlegte einen Moment. Er holte eine Spiralkladde aus der mittleren Schublade und studierte die Unterschriften in den Spalten der letzten zwölf oder mehr Seiten. Es war ein Anwesenheitsregister, und als Veness Lynleys Frage beantwortete, stellte sich heraus, dass Kimmos letzter Besuch bei Colossus nur

Weitere Kostenlose Bücher