1301 - Kreuzzug des Bösen
heftig, und ihr Gesicht war verzerrt.
Die Steine hatte sie auf den Stoff ihres angehobenen Umhangs gelegt. Jetzt war sie froh, dass sie die Last fallen lassen konnte. Die Steine rollten zu Boden, und einer von ihnen blieb dicht vor den Füßen des Templers liegen.
»Wir können beginnen!«, sagte Anne.
»Das ist gut!«
Godwin wusste, dass seine Chancen verdammt dünn waren, falls es sie überhaupt noch gab. Wäre er normal in Form gewesen, hätte alles ganz anders ausgesehen, so aber sah es für ihn nicht gut aus.
Das Gift war noch nicht aus seinem Körper verschwunden. Es arbeitete in ihm.
Zu der körperlichen Schwäche kam noch seine psychische. Er fühlte sich unterlegen. Er wollte sich zwar aufrichten, aber es blieb beim Bemühen.
Zwei Augenpaare schauten bei seinen Bewegungen zu. Die Größere lächelte wieder. Ihr Mund hatte sich in die Breite gezogen, und in ihren Augen lag ein Glanz, der Godwin erschauern ließ.
Er senkte den Blick und ließ ihn über die Steine wandern. Sie lagen verteilt vor ihm, und als er sich ihrer Größe bewusst wurde, da spürte er den Anfall der Furcht. Wenn jemand richtig traf, konnte ihn schon ein Treffer vom Leben in den Tod befördern.
Manche der Steine waren kantig. Andere wieder zeigten einige Rundungen. Sie hatten die Wahl.
»Du wirst leiden müssen«, sagte die Größere. »So wie die Leute gelitten haben, von denen in der Bibel geschrieben steht. Nicht der erste Treffer ist tödlich, mein Freund, erst der vierte oder fünfte. Wir werden uns genau überlegen, wo wir die Steine hinzuwerfen haben, und wir treffen gut. Darauf kannst du dich verlassen.«
Jedes Wort kam dem Templer wie der Teil eines Todesurteils vor.
Er sagte nichts, aber er suchte nach einem Ausweg – und den gab es.
Die Frauen hatten versäumt, ihm seine Waffe abzunehmen.
Männer hätten vielleicht anders reagiert. Möglicherweise waren sie sich ihrer Sache auch zu sicher gewesen.
Godwin riss sich noch mal zusammen. Er schüttelte den Kopf und flüsterte: »Ich würde es lassen.«
»Aber wir nicht.«
Die Größere gab Anne ein Zeichen mit dem Kopf. Beide Frauen beugten sich nach unten, um die Steine aufzunehmen. Sie würden noch suchen, um den richtigen zu finden, und genau die Zeit wollte er ausnutzen.
Godwin bewegte seinen rechten Arm. Die Waffe steckte unter der Jacke. Ihr Magazin war mit geweihten Silberkugeln geladen.
Kugelfest waren beide Frauen nicht, das wusste er.
Seine Bewegung war nicht hektisch. Er wollte auf keinen Fall auf sich aufmerksam machen. So lange sie sich noch bückten, hatte er seine Chance.
Godwin nutzte sie!
Das Ziehen der Waffe schaffte er trotz des Schwindels in seinem Kopf, und als er sie in der Hand hielt, richtete er sie noch nicht sofort auf die Ziele vor ihm, sondern legte seine Hand auf den rechten Oberschenkel und ließ die Waffe zwischen den beiden Schenkeln verschwinden.
Anne richtete sich als Erste wieder auf. Sie hatte sich gleich für zwei Steine entschieden, die noch in ihre Handflächen passten. Sie waren also nicht zu groß, doch mit Wucht aus einer kurzen Entfernung zielsicher geworfen, konnten sie ebenso tödlich sein.
Auch die Größere kam hoch. Sie freute sich, und ihre Freude malte sich auf dem Gesicht ab. Die Augen funkelten. Sie liebte den Tod eines anderen Menschen, das war ihr anzusehen. Durch den offenen Mund atmete sie scharf die Luft ein, und den Stein musste sie mit beiden Händen halten. Er war groß wie ein Männerkopf.
»Ich werde ihn als Letzten werfen!«, versprach sie flüsternd.
»Erst ist Anne an der Reihe mit ihren kleinen Steinen. Aber auch die werden dir zu schaffen machen.«
Godwin versuchte es noch ein letztes Mal. Wieder hatte er Mühe zu sprechen. Er quälte sich die Worte hervor. »Überlegt es euch, überlegt es euch gut, das rate ich euch. Noch habt ihr keine Morde auf dem Gewissen. Es sieht anders aus, wenn ihr…«
»Du redest zu viel!«
»Nein, ich…«
»Anne! Fang an!«
Die kleinere Frau nickte. Sie schaute Godwin noch einmal kurz an, dann hob sie den rechten Arm.
Aber auch Godwin bewegte sich. Bei ihm war es ebenfalls der Arm und natürlich die Hand, die er freilegte. Urplötzlich schauten die beiden Frauen in die Mündung der Beretta und hörten einen Satz.
»Wenn ihr es versucht, seid ihr tot!«
***
Ich war schon verflixt oft über die verschiedensten Friedhöfe gegangen. Zumeist dienstlich und mit der Gewissheit, dass etwas passieren würde. In diesem Fall hatte ich damit keine Probleme, denn
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