1304 - Das Gericht der Elfahder
persönliches Schicksal interessierte mich im Augenblick wenig.
Ich hatte einen intensiven Einblick in das Schicksal des elfahdischen Volkes erlangt. Das war nicht spurlos an mir vorbeigegangen.
Ich wünschte mir, Volcayr wäre in der Nähe gewesen. Ihn hatte ich bisher stellvertretend für alle Elfahder betrachtet. Ich wußte jetzt, daß diese Einschätzung der Wirklichkeit nicht ganz entsprach.
Wenn jemand Hilfe brauchte, dann war es dieses Volk, das auf seinem einzigen Planeten dahinlebte und dessen einzige Stütze die Lehre vom Permanenten Konflikt war.
Ich begriff aber auch, daß es sich nicht helfen lassen würde oder wollte.
Die Kolonie-Elfahder. Waren wir ihnen schon begegnet? Wußten sie von uns? Welchen Namen oder welche Namen trugen sie heute?
Sie durften nie mit den Heimatelfahdern zusammenkommen. Das hätte eine Massenpsychose ausgelöst.
Wie aber konnten wir Vironauten ihnen dann helfen?
Ratlos saß ich da, und jeder meiner Gedanken endete in einer Sackgasse. Vor diesem Problem war ich hilflos und mußte erkennen, daß auch einem relativ Unsterblichen Grenzen gesetzt waren. Und das meist dann, wenn er es nicht gebrauchen konnte.
*
Bonifazio Slutch hatte sich bei den Robotern nicht gerade für die unsanfte Behandlung bedankt. Eigentlich war sie gar nicht unsanft, aber er betrachtete sie dennoch als unangemessenen Eingriff in seine Intimsphäre.
„Ich hole mir noch Rheuma und Gicht, wenn ihr mich mit euren kalten Pfoten weiter festhaltet", hatte er sie angeschrieen in dem Bewußtsein, daß er ja doch keine Antwort erhalten würde. Er hatte sich getäuscht.
„Das mußt du uns näher erklären", hatte eine der Maschinen gesagt, „von wo du die beiden holen willst!"
Fazzy hatte verdutzt geschwiegen, und die Roboter hatten ihn in einer engen Zelle abgesetzt. Sie hatten sich entfernt, und nun saß, lag oder stand Fazzy bereits seit beinahe zwei Wochen in diesem engen Loch. Er hatte die ersten Erfahrungen hinter sich, wie es sich auswirkte, wenn man in einer solchen Zelle akustische Äußerungen von sich gab.
„Die soll doch der Teufel holen", war eines der Stichworte dafür, daß irgend etwas in seiner Zelle materialisierte. Im Zusammenhang mit dem Teufel war es eine Toilette, eine Art Häuschen, nur daß das Herzchen an der Tür fehlte. Auf diese Weise hatte Fazzy allerhand herbeizitiert, sogar einen schwerbewaffneten Kleinwagen, der gerade noch in die Zelle gepaßt hatte und ihn beinahe zerquetscht hatte. Seither war er etwas vorsichtiger mit seinen Äußerungen.
„Essen und Trinken!" verkündete er laut. „Ich will kleines Geflügel und roten Fruchtsaft, dazu Kroketten und terranischen Salat. Er ließ detaillierte Beschreibungen folgen, und kurz darauf materialisierten die Dinge mitsamt einem schwach rosa leuchtenden Energietisch. Das Hähnchen war in Ordnung, auch die Kroketten. Nur der Salat war ungenießbar, weil der Computer in der Wildnis des Planeten offenbar nichts gefunden hatte, was irgendwie mit terranischem Kopfsalat vergleichbar war. Der Fruchtsaft schmeckte nach Kaffee, aber er war rot wie der Saft von Blutorangen. Der SERUN bestätigte die Unbedenklichkeit der Speisen, nachdem er ein paar Tests vorgenommen hatte. Genüßlich machte Fazzy sich über die Speisen her.
Während er aß, fragte er sich, was wohl inzwischen mit Bully und den anderen Gefährten geschehen war. Es bestand kein konkreter Grund, aber Fazzy hatte dennoch Angst um sie. In düstersten Farben malte er sich aus, wie sie verurteilt und getötet worden waren. Er ließ den Hähnchenschenkel los und betrachtete angewidert das Essen.
Henkersmahlzeit! schoß es ihm durch den Kopf. Eine verdammte Henkersmahlzeit. Und das seit zwei Wochen. Wie lange wollen sie mich auf diese Art und Weise noch foltern?
Er begann zu reden. Er wußte, daß irgendwo verborgene Mikrofone existierten, die alle seine Äußerungen zur Kenntnis nahmen. Er begann, von seinen Gedanken zu reden, und legte dar, warum er sich immer mehr der Grenze zum Wahnsinn näherte. Er begann lauter zu werden und warf zum Abschluß des halb geleerte Glas Saft gegen die Wand. Es zersprang klirrend, ein deutliches Zeichen, daß es sich nicht nur um eine Projektion handelte. Er steigerte sich so sehr in diesen Zustand hinein, daß er absolut glaubwürdig wirkte. Zwei Stunden lang verhielt, er sich so, dann holten ihn die Roboter ab. Diesmal übersah er es, daß sie ihn mit eisernem Griff umklammerten. Er jammerte und tobte abwechselnd. Er wurde in
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