1308 - Tödliche Schwingen
Mädchen nicht nur nervös, es drückte auch die Angst in ihm hoch.
Carlotta überlegte, ob sie das Fenster öffnen und ihren Kopf nach draußen stecken sollte. Dann würde sie sehen können, was rechts und links geschah. Letztendlich traute sich das Mädchen jedoch nicht. Es dachte daran, wie schnell das Wesen aus der Luft bei ihr gewesen war. Da hatte sie im Freien gestanden und es nicht gesehen.
Dann hörte sie wieder das Bellen. Diesmal klang es schärfer, und den Grund sah sie eine Sekunde später.
Jemand war da!
Jemand stand direkt vor dem Fenster und zeigte ein Gesicht, das Carlotta erschreckte…
***
Im ersten Moment glaubte sie daran, dass ihr der Tod in einer dreidimensionalen Gestalt einen Besuch abgestattet hatte. Das traf nicht zu, denn sie blickte keineswegs in die Fratze eines bleichen Skeletts. Noch war es ein Gesicht. Ein bleiches und trotzdem mit dunklen Schatten übersätes.
Ohne Haare, wie auch der Kopf. Ein scharfes Gesicht. Versehen mit Ecken und Kanten. Keine Wimpern, keine Brauen, dafür Augen, die sehr groß und dunkel waren und praktisch nur aus dem Rund der Pupillen bestanden. Ein solches Gesicht hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen, und der Anblick flößte ihr tiefe Angst ein.
Sie sah den breiten Mund in der sehr dünnen Haut. Er kam ihr vor wie eine Schnittstelle, denn Lippen gab es nicht.
Das Gesicht glotzte sie an. Keine Bewegung entdeckte sie in den Pupillen. Starrer konnte man nicht schauen. Es bewegte sich nichts, und trotzdem überkam sie das Wissen, dass diese Gestalt ihr eine Botschaft überbringen wollte.
Eine schlimme!
Ich hole dich auch noch! Du entkommst mir nicht!
Auch Eden spürte die Bedrohung. Er hatte ebenfalls Angst. Das leise Winseln deutete darauf hin, und er zog sich auch von der Fensterbank zurück. Er blieb neben Carlotta stehen.
Sie konnte nicht weg. Es war unmöglich, denn dieser Blick nagelte sie auf der Stelle fest. Sie war auch nicht in der Lage, ihn zu beschreiben. Ihrer Ansicht nach war er einfach nur kalt und konnte keinem Menschen gehören.
Und doch war es ein Mensch. Sie ging sogar davon aus, dass er ihr Angreifer gewesen war, und das empfand sie als schlimm. Ein Mensch, der auch aus der Luft angriff?
Beinahe hätte sie darüber gelacht, denn sie musste auch an sich denken, weil sie dazu in der Lage war. Aber sie selbst war einmalig.
Zumindest sah sie sich so.
Oder nicht?
Die Gestalt bewegte sich an der rechten Seite. Sie hob den Arm an, und kurz danach sah Carlotta eine gespreizte Hand, wie sie außen an der Scheibe in die Höhe kroch. Sie hörte die leisen Geräusche, dieses Kratzen am Glas, das sich schlimm anhörte. Als würden die Nägel über ihre Seele schaben.
Die Hand glitt immer höher und näherte sich ihrem Gesicht. Sie war jetzt gekrümmt und erinnerte das Mädchen an eine Vogelkralle. Sie fürchtete, dass das Glas brechen könnte, aber es hielt, und nur das Kratzen drang so überlaut an ihre Ohren. Sie empfand es wie eine Folter und war froh, dass der Typ seine Hand schließlich zurückzog, ohne dass ihr etwas geschehen war. Nur außen auf der Scheibe hatten die Nägel dünne Spuren hinterlassen.
Endlich, nach einer Zeitspanne, die ihr schier unerträglich vorkam, löste sie sich aus dem Bann. Carlotta konnte sich wieder bewegen, und sie atmete auf.
Der Fremde drehte sich. Hastig fuhr er nach rechts herum. Das Gesicht hinter der Scheibe schien sich aufzulösen. Es blieb noch für einen winzigen Augenblick als Fleck in der Dunkelheit hängen, dann war es vorbei. Es gab den Mann nicht mehr.
Trotzdem verließ sie ihren Platz nicht. Carlotta schaute weiterhin aus dem Fenster. Sie bewegte auch ihren Kopf, um in die verschiedenen Richtungen blicken zu können. Sie erwartete auch, einen Schatten in der Luft zu sehen, eine riesige Fledermaus, in die sich die Gestalt verwandelt hatte.
Dann hätte es ein Vampir sein müssen. Aber war er das wirklich?
Carlotta wusste es nicht, denn der unheimliche Besucher hatte seinen Mund immer geschlossen gehalten.
Vampir oder nicht?
Es gab die tiefen Zweifel, die sie quälten. Nur war das jetzt nicht mehr wichtig. Sie war froh darüber, dass die fremde und unheimliche Gestalt verschwunden war, und drückte sich beide Daumen, dass sie so schnell nicht mehr zurückkam.
Erst jetzt zog sie sich vom Fenster zurück. Auch Eden hatte sich beruhigt und begleitete sie auf ihrem Weg zum Stuhl, auf den sie sich fallen ließ.
Carlotta war froh, endlich sitzen zu können. Das Glas mit dem Saft
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