1311 - Hölle Sothom
weit über das Begriffsvermögen selbst unserer besten Wissenschaftler hinausging. Sie jonglierten mit Kräften, die wir weder sehen noch hören noch messen konnten, deren gesteuerte Wirkungen wir aber brauchten, um unsere Macht aufrechterhalten zu können und weiter zu festigen.
In ihren Gliederpanzern ähnelten die fünf Nakken in der Schaltstation der Festung gepanzerten Rittern aus uralten Sagen. Aber schon ihre Bewegungen verrieten, daß sie alles andere als das waren. Aufrecht schwebten sie mit Hilfe der Antigravs über ihren verdickten Kriechsohlen vor der transparenten Schaltwand hin und her.
Hinter der Wand war nur das Stakkato wetterleuchtender psionischer Feldlinien zu sehen. Doch dabei handelte es sich um Nebeneffekte von Vorgängen, die Leuten meines Volkes und aller anderen Völker verstandesmäßig verschlossen blieben. „Du. solltest sie vielleicht fragen, anstatt sie mordlüstern anzustarren, Sotho!" zischelte mir mein Animateur zu, der auf meiner rechten Schulter hockte und die Luft mit seinem meterlangen Knorpelschwanz peitschte. „Du weißt, daß du ihnen keine Information entlocken kannst, die sie verschweigen wollen - und die Art und Weise ihrer Schaltungen verschweigen sie ebenso wie die Vorgänge und Funktionen, die sie damit steuern und kontrollieren", entgegnete ich verärgert. „Drohe ihnen damit, ihnen die psisensiblen Ärmchen abzuschneiden!" forderte der Animateur. „Das macht sie vielleicht gesprächig."
„Du bist ein Idiot,Kralsh!" fuhr ich ihn an. „Du weißt, daß es ohne die Nakken weder Heraldische Tore noch den Gordischen Knoten gäbe. Sie arbeiten für uns, ohne nach dem Wenn und Aber zu fragen. Es wäre eine unverzeihliche Dummheit, sie gegen uns aufzubringen. Außerdem würden wir ihre Erklärungen wahrscheinlich nicht verstehen, weil unsere Gehirne nicht auf das Verständnis von Vorgängen eingerichtet sind, die sich in einem anderen Kontinuum abspielen."
„Du resignierst", stellte Kralsh hämisch fest. „Du weißt nicht einmal, warum die Nakken dich hierher beordert haben. Aber du bist ihrer Aufforderung, dich in der Festung einzufinden, bedingungslos gefolgt.
Willst du dich der Einsicht, daß nicht wir ihre Herren sind, sondern sie die unseren, noch länger entziehen?"
Ich wollte ihn mit einer ruckartigen Schulterbewegung abschleudern, doch er hatte sich einen Sekundenbruchteil vorher mit einem blitzschnellen Sprung auf die Abdeckplatte des Synkoms, einer hochwertigen Kombination von Syntron und Kommunikationsgerät, der vor mir stand, in Sicherheit gebracht und starrte mich von dort aus mit seiner Teufelsfratze herausfordernd an. Beinahe hätte ich ihn abermals bezichtigt, ein Idiot zu sein. Doch ich beherrschte mich. Kralsh war alles andere als ein Idiot. Im ersten Zorn konnte ich ihn als solchen beschimpfen. Aber das nach ein paar Sekunden des Nachdenkens zu tun, wäre eines Sothos unwürdig gewesen. Ein Sotho durfte die Leistungen eines Untergebenen nicht herabwürdigen - und Kralsh hatte seine Aufgabe bei mir wirklich hervorragend erfüllt.
Ich konnte mir kaum noch vorstellen, daß er vor rund fünfzig Jahren nach dem unrühmlichen Ende seines damaligen Sothos Gun Nliko vor Gruelfin psychisch total ausgebrannt gewesen war.
Außerdem stimmte es, daß ich der Bitte der Nakken, bei der Generalinspektion der Festung anwesend zu sein, ohne Rückfragen entsprochen hatte. Allerdings nicht, weil ich mich als Befehlsempfänger empfand, sondern deshalb, weil die Festung als Schaltstation und Zapfstelle für das Black Hole im Zentrum der Milchstraße eine Zentrale Bedeutung besaß. Sie war die Schaltstelle meiner Macht. Deshalb hielt ich es für wichtig, persönlich anwesend zu sein, wenn sie von den fünf wichtigsten Nakken in der Milchstraße, die rochierend von den zwölftausend Raumforts der Feresh Tovaar aus die psionische Feinjustierung des Stygischen Netzes vornahmen, durchgecheckt wurde.
Deswegen empfand ich mich noch lange nicht als den Nakken untergeordnet. Sie waren reine Wissenschaftler, die mir ihre Arbeitskraft uneingeschränkt zur Verfügung stellten, weil sie unter mir ihrer Leidenschaft, sich mit psionischen Kraftfeldern zu beschäftigen und ihre Strukturen zu manipulieren, frönen durften. An Politik waren sie noch nie interessiert gewesen. „Wolltest du etwas sagen, Sotho Tyg Ian?" fragte Kralsh stichelnd und klemmte sich den Knochenschwanz unter die linke Achsel. „Du hast es erraten, Knecht", gab ich gutgelaunt zurück. „Ich wollte dich
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