1311 - Hölle Sothom
selben Moment materialisierte eine Gestalt vor dem Schott der Schlußwand. Tiffs Daumen verharrte über der Aktivierungsplatte. Er hatte die Gestalt ebensogut wiedererkannt wie ich - und wie Elsande und Sid wahrscheinlich auch.
Es war der geheimnisvolle Humnoide, der uns in der simulierten oxtornischen Umwelt zwischen Makalu und Kanchenjunga begegnet war und Tintas Entlarvung rückgängig gemacht hatte. Auch diesmal hielt er einen etwa anderthalb Meter langen silbrigen Stab mit irisierend leuchtender Spitze in der rechten Hand. Doch diesmal stützte er sich lediglich darauf.
Damals war ich zu überrascht über sein Auftauchen und über seine Mitteilung gewesen, als daß ich groß darüber nachgedacht hätte, wie er erschienen war. Dieses Mal stellte ich mir diese Frage sofort.
Er konnte nicht teleportiert sein, denn dann hätten wir mit den zurückgeklappten Helmen einen Luftzug gespürt. Folglich mußte er sich technischer Hilfsmittel bedient haben, um seinen Standort zu wechseln. Allerdings waren das dann technische Hilfsmittel gewesen, wie wir sie nicht kannten und wie sie auch die ESTARTU-Technik bisher nicht hervorgebracht hatte.
Mein Blick fiel auf die halbkugelförmige Schnalle, die seinen Gürtel über dem kimonoartigen Gewand zusammenhielt. Es war keine gewöhnliche Gürtelschnalle. Das sah ich schon an den holographischen Szenen, die bei genauer Betrachtung dort erschienen und von denen eine hypnotische Wirkung ausging, die ich allerdings abblocken konnte. Unwillkürlich mußte ich an meine Informationen über die Hüter des Lichtes denken. Einer von ihnen, Tengri Lethos, sollte vor seinem Eingehen in den Dom Kesdschan einen Kombigürtel besessen haben, der unter anderem einen Mikro-Spontantransmitter enthielt, ein Gerät, das ähnlich wie ein Fiktivtransmitter arbeitete.
Ein solches Gerät konnte sich durchaus in der Gürtelschnalle des geheimnisvollen Fremden verbergen. Aber ich kam nicht dazu, mir eine entsprechende Frage zurechtzulegen, denn der Fremde deutete auf das Fernschaltgerät und sagte zu Tiff: „Wenn du diese Schaltplatte niederdrückst, wird Terra atomisiert, junger Mann. Vielleicht würde sogar das ganze Solsystem vernichtet." Tiff zog seine Hand so schnell zurück, als hätte sie über einer heißen Strahlungsquelle gehangen. Doch danach nahm sein Gesicht einen skeptischen Ausdruck an. „Woher willst du das wissen?" wandte er sich an den Fremden. „Wer bist du überhaupt?"
„Ich bin Peregrin", antwortete der Fremde und verzog sein Gesicht zu einem verschmitzten Lächeln. „Woher ich das weiß, werde ich dir nicht verraten, junger Mann. Dafür ist die Zeit noch nicht reif."
Er lachte, als amüsierte er sich über unsere verblüfften Gesichter. „Junger Mann!" regte sich Tiff auf.
Natürlich nur künstlich; ich merkte das. Es war mir auch klar, daß er den Fremden, der sich Peregrin nannte, provozieren wollte. „Wenn du wüßtest, wie alt ich wirklich bin, dann..."
„Biologisch bist du erst fünfunddreißig Terrajahre jung", fuhr ihm Peregrin in die Parade. „Und weise bist du auch noch nicht. Also versuche nicht, mich belehren zu wollen, du Kosmischer Lockvogel. Ich will euch aber verraten, warum ihr die Vernichtung der Erde heraufbeschwören würdet, falls ihr die Schaltkreise in der letzten Trennwand störtet. Der Sotho Tyg lan hat diese Selbstzerstörungsanlage, die ihre Energie auf Umwegen aus dem Big Black Hole im Zentrum der Milchstraße bezieht, installieren lassen, um seine geheimsten Daten vor Unbefugten zu schützen."
Ich sah, daß Tiff erbleichte, und spürte, daß ich weiche Knie bekam. Die Energieerzeugung innerhalb des Big Black Holes der Milchstraße war so ungeheuerlich, daß menschliche Vorstellungskraft sie nicht zu fassen vermochte. Wenn sie angezapft worden war, um die Selbstzerstörungsanlage im SOTHOM zu versorgen, dann schwebte Terra in permanenter Gefahr. Und beinahe hätten wir diese Anlage aktiviert!
Ich blickte zu Elsande und sah, daß sie am ganzen Körper zitterte. Offenbar machte es ihr schwer zu schaffen, daß sie uns den Schaltplan des SOTHOMS übermittelt hatte, der um ein Haar zur Atomisierung Terras geführt hätte. Ich streckte die Hand aus und strich ihr über die rötlichen Stoppeln, die auf ihrer Schädeldecke wieder zum Vorschein gekommen waren. „Du konntest es ebensowenig ahnen wie wir", versuchte ich sie zu beruhigen. „Natürlich nicht", bestätigte Peregrin. „Das Molekulargehirn enthält keine Information darüber. Nur
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