1313 - Die Kolonisten von Lao-Sinh
Erfahrungen zur Verfügung stellen. Das erwarte ich von dir. Und nicht nur von dir, sondern auch von allen anderen."
„Mia-San kann mich nicht ausstehen!"
„Woher willst du das wissen?"
„So etwas merkt man doch. Wenn die Schwierigkeiten bekommt, dann werde ich die letzte sein, die sie um Rat fragt."
„Dann mußt du ihr zuvorkommen - und zwar in einem Ton, mit dem du nicht gleich automatisch ihren Widerspruch herausforderst."
„Sie wird mich degradieren!"
„Das ist Unsinn!" sagte Dao-Lin ärgerlich. „Mia-San-K'yon gibt sich große Mühe.
Natürlich wird es am Anfang schwer sein, aber sie wird sich eingewöhnen, und dann wird alles wieder so sein, wie ihr es gewöhnt seid."
„Daran zweifle ich."
Dao-Lin verspürte plötzliche Wut.
„Dann hör auf damit", befahl sie scharf, während sie sich aufrichtete. „Hör auf zu zweifeln und zu schimpfen, denn damit hilfst du weder ihr noch mir. Wir alle haben unsere Befehle zu befolgen. Das gilt auch für dich. Und ich befehle dir hiermit, Äußerungen dieser Art in Zukunft für dich zu behalten und mit Mia-San zusammenzuarbeiten, so gut es dir möglich ist. Du wirst dir Mühe geben. Hast du verstanden?"
„Ja", sagte Shi-Hil kleinlaut. „Aber..."
„Ich will nichts mehr hören!"
wehrte Dao-Lin ärgerlich ab und verließ die Zentrale.
Trotzdem - der Gedanke war verlockend. Einen Bericht schreiben, Zeit gewinnen ...
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!" sagte Dao-Lin zornig zu sich selbst und legte das Thema ein für allemal zu den Akten.
Immerhin wurde ihr durch dieses Gespräch klar, daß der Kolonie LAO-SINH tatsächlich Gefahr drohte - allerdings von ganz unerwarteter Seite.
Shi-Hil hatte ausgesprochen, was viele andere dachten. LAO-SINH war nicht Ardustaar, und die Hohen Frauen waren weit weg. Dao-Lin hatte zwar auch auf strenge Ordnung geachtet, aber in LAO-SINH waren Kartanin, die stur und gedankenlos jedem Befehl folgten, fehl am Platz. Sie lebten und arbeiteten unter extremen Bedingungen, und sie waren gezwungen, sich ihr eigenes Urteil zu bilden.
Natürlich hatten sie erfahren, daß Dao-Lin nach Ardustaar zurückkehren mußte, und das schmeckte ihnen nicht. Dao-Lin hatte sich selbst gegenüber ihren engsten Vertrauten nur sehr zurückhaltend über den Befehl geäußert, aber es war einfach nicht zu vermeiden gewesen, daß dies oder jenes durchsickerte und die tollsten Gerüchte in Umlauf kamen.
Kein Wunder, daß man Mia-San ablehnte.
Sie besichtigte den Industriekomplex und redete einigen Kartanin ins Gewissen, bis man ihr gestand, daß ein bestimmter Rohstoff nicht schnell und reichlich genug geliefert wurde.
Sie ließ sich zur Abbaustelle bringen und stellte voller Entsetzen fest, daß eine viel zu kleine Gruppe eine Arbeit erledigte, zu der man doppelt so viel Personal und eine weitaus größere Anzahl von Spezialmaschinen brauchte.
„Warum habt ihr euren größeren Bedarf nicht angemeldet?" erkundigte sie sich.
„Das haben wir getan", behauptete To-Li-Y'ian, der Leiter der Gruppe. „Aber man sagte uns, daß die Kartanin und die Maschinen zuerst für die Kultivierung der nördlichen Täler gebraucht werden."
„Wer hat euch das gesagt?" fragte Dao-Lin ungeduldig.
„Der Sprecher der Kultivierungsgruppe", erklärte To-Li. „Er behauptet, Mia-San habe ausdrücklich befohlen, daß die Kultivierung in den nächsten Wochen abgeschlossen werden müsse."
Dao-Lin dachte über dieses Problem nach.
„Ich werde mich darum kümmern", sagte sie schließlich.
„Gib mir eine Verbindung mit Mia-San", befahl sie, als sie in das Raumschiff zurückgekehrt war.
Shi-Hil warf ihr einen Blick zu, der wohl sagen sollte: „Da siehst du es. Es wird ein riesiges Durcheinander geben!"
In diesem Augenblick wurde Dao-Lin klar, daß sie im Begriff war, einen wirklichen Fehler zu machen.
„Laß die Verbindung", murmelte sie. „Wir kehren nach Hubei zurück."
Zwei Tage später führte sie mit Mia-San ein langes, sehr ernstes Gespräch.
Anschließend stellten sie gemeinsam eine Liste jener Arbeiten zusammen, die unbedingten Vorrang hatten.
„An diese Liste mußt du dich halten", sagte Dao-Lin. „Und wenn jemand kommt und dir etwas vorjammert, weil er sich mit seinem Projekt vernachlässigt fühlt, dann achte darauf, daß du seinetwegen kein anderes Projekt in Schwierigkeiten bringst. Das ist manchmal nicht einfach, aber es muß konsequent durchgeführt werden. Die nördlichen Täler auf diesem Stützpunkt sind gutes Ackerland, aber das
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