1316 - Vampirhölle
nichts dagegen, dass sie Menschen anfallen und ihnen Wunden zufügen.«
»Einige wollen es so.«
»Tatsächlich?«
»Ich weiß nicht viel.«
Guido log. Er konnte uns vermutlich mehr über die Geschwister sagen, doch die Angst vor dem Paar steckte zu tief in seinen Knochen.
»Dann haben sie hier also das Sagen!«, stellte ich fest.
Der Keeper überlegte. »So genau weiß ich das nicht. Sie sind schon mächtig.«
»Und wem gehört das Stigmata?«, wollte ich wissen.
»Dem Sir!«
Die Antwort hatte uns die nächste Überraschung gebracht. Das war wirklich ein Hammer. Bei unseren Recherchen waren wir nicht auf diesen Namen gestoßen. Als Besitzer war ein gewisser Cecil Banks eingetragen, und das sagte ich auch.
Guido konnte sogar lächeln. Er tat es vorsichtig, damit sein Make-up nicht abbröckelte. »Es ist nicht sein richtiger Name. Aber er wird von uns nur Sir genannt.«
»Heißt er Cecil Banks?«
»Ja.«
»Da sind wir doch schon weiter. Ist er an den langen Abenden und Nächten auch hier?«
»Er kommt öfter und schaut sich um. Die Gäste huldigen ihm. Sie mögen ihn alle.«
»Und warum heißt er Sir?«, wollte Suko wissen.
»Weil er… weil er … eine so stattliche und elegante Erscheinung ist. Er sieht aus wie jemand aus der Vergangenheit. Und er ist ein echter Gentleman.«
»Das sieht man selten in der heutigen Zeit.« Suko fragte weiter.
»Wohnt er weit von hier?«
Guido gab zunächst keine Antwort. Er wirkte so wie jemand, den die Frage verwundert hatte.
»Kennst du die Adresse?« Erst jetzt brach Guido sein Schweigen.
Er hob dabei den rechten Zeigefinger der dunklen Decke entgegen.
»Oben hat er seine Wohnung. Es ist der gesamte erste Stock. So kann er schnell kommen und gehen, wann immer er will. Er braucht nicht erst weit zu fahren.«
Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln. »Das ist eine sehr gute Nachricht. Dann brauchen wir nicht weit zu gehen, wenn wir ihn sprechen wollen.«
Guido hatte Bedenken. »Man muss sich erst anmelden. Er lässt nicht jeden in seine Wohnung.«
»Wie war es denn bei den Geschwistern?«
»Mike und Mona? Die schon. Sie haben ihn besucht. Sie konnten jederzeit zu ihm. Und wenn sie zurück hier ins Stigmata kehrten, sahen sie immer sehr zufrieden aus.«
»Dann haben sie wohl ihr Blut dort oben bekommen, denke ich mal.«
»Das kann sein.«
Das Gespräch hatte wirklich etwas gebracht, und wir würden uns bestimmt nicht an Anmeldefristen halten. Ich wollte noch etwas wissen und fragte deshalb: »Lebt er allein?«
»Ja, das schon.«
»Keine Frau?«
»Nein. Das braucht er auch nicht. Der Sir kann jede haben, wenn er will. Und sie wollen.«
Das konnte ich mir vorstellen. Es gibt immer wieder Menschen, die anderen Typen regelrecht verfallen, wenn sie eine gewisse Macht ausströmen. Da hatten wir unsere Erfahrungen sammeln können.
»Kann man von hier aus zu seiner Wohnung hochgehen?«, erkundigte sich Suko.
Bisher hatte Guido uns stets recht schnell geantwortet. Das war nun vorbei. Er hielt zwar seinen Mund offen, doch er schaute uns nicht mehr an, sondern zwischen Suko und mir hindurch.
»Was hast du für Probleme?«
»Da kommt jemand.«
Ich war mit meinen Gedanken noch bei Cecil Banks, dem Sir.
»Der Besitzer vielleicht?«
»Nein«, flüsterte der Keeper. »Nicht der Sir. Es ist Vanessa, die Geigerin…«
***
Sie hatten wir schon fast vergessen, obwohl sie der eigentliche Grund unseres Besuchs hier im Stigmata war. Denn sie sollte uns mehr über das Geschwisterpaar erzählen können.
Guido sah erleichtert aus. Wahrscheinlich dachte er, dass er aus dem Schneider war. Er schaute noch immer zwischen uns hindurch, und seine Augen bewegten sich dabei nicht. Deshalb konnten wir davon ausgehen, dass Vanessa, deren Nachnamen wir nicht kannten, in unsere Richtung ging und vermutlich an der Theke stehen blieben würde.
Wir hielten uns im Zaum und drehten uns nicht um. Trotz der Musik hörten wir das Schnaufen, und wenig später stand eine junge Frau links neben mir.
Sie hatte Suko und mich zwar gesehen, doch es gab keinen Grund für sie, näher mit uns bekannt zu werden. Wir ließen sie zunächst auch in Ruhe, weil wir uns erst ein gewisses Bild von ihr machen wollten.
Ihr Alter musste um die 20 liegen. Sie gehörte zur Szene, das sah man ihr an, obwohl sie auf schwarze Kleidung verzichtet hatte und ein dunkelrotes Kleid trug, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Ein schmales Gesicht, recht bleich, und ein Profil, das mir wie geschnitzt vorkam. Es
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