1318 - Terror am Totenbett
Neues.
Dahinter war niemand zu sehen. Nur der sehr dünne Draht schimmerte bei der Berührung durch das Licht, und genau das brachte mich wieder auf einen bestimmten Gedanken.
Irgendwo war jemand alarmiert worden. Das musste einfach so sein. Sonst wäre nicht der verdammte Draht gespannt worden. Bisher hatte ich noch keine Reaktion erlebt. Mir wäre lieber gewesen, wenn jemand in den Keller gerannt wäre, wobei ich den alten Lord davon ausschloss.
Der Verwesungsgeruch wollte einfach nicht aus meiner Nase. Er hatte sich darin festgesetzt wie ein widerlich-süßliches Parfüm, das mir den Atem verschlug.
Breite Stufen. Ausgetreten und recht tief. Aber auch uneben. Ich ging sie hoch, sah dann die Tür vor mir und dachte für einen Moment daran, wie viele dieser Situationen ich schon erlebt hatte.
Zählen konnte ich sie nicht mehr, aber verschlossene Türen gehörten einfach zu meinem Job.
Ich glaubte nicht daran, dass sie abgeschlossen war. Vor mir sah ich die schwere Klinke, auf der ebenfalls ein feuchter Film lag. Die Lampe hatte ich zwischen meine Lippen geklemmt. Ich musste unbedingt beide Hände frei haben, auch weil ich meine Beretta ziehen wollte.
Mit der linken Hand öffnete ich die Tür und drückte sie weit auf, ohne die Treppenstufe zu verlassen.
Niemand erwartete mich. Mein Blick fiel in einen dunklen Gang, der sich wenig später erhellte, als ich meinen Kopf mit der im Mund steckenden Lampe bewegte.
Der Strahl tanzte über den Boden ebenso hinweg wie über die Wände rechts und links, da ich den Kopf nicht ruhig halten konnte.
Am Ende traf er sogar eine Tür.
Niemand lauerte auf mich, was ich schon mehr als ungewöhnlich empfand. Hatte der Draht seine eigentliche Funktion aufgegeben und nicht mehr funktioniert?
Ich hatte keine Ahnung, doch meine Vorsicht war nicht gewichen. Beim Aufstoßen einer Tür gibt es immer einen toten Winkel, in dem sich jemand verstecken kann.
Hier gab es ihn zwar auch, aber die Tür stieß gegen keinen weichen Widerstand, sondern kratzte leicht mit der Klinke an der Wand entlang. Das beruhigte mich.
Nach dem nächsten Schritt vorwärts lag auch die letzte Stufe hinter mir. Ich konnte in den Gang gehen. Ich entfernte die Lampe zwischen meinen Lippen.
Noch einmal strahlte ich nach vorn.
Es hatte sich nichts verändert. Der Gang war und blieb leer. Vorn an der Tür tat sich auch nichts.
Besser hätte es nicht passen können.
Ich ging den ersten Schritt.
Etwas raschelte über mir.
Ich blieb stehen und wollte auch den Kopf anheben, als das Rascheln verstummte.
Von oben fiel etwas herab. Ich sah es trotzdem, weil sich der Schatten des fallenden Gegenstands auf dem Boden abzeichnete, wo der Lampenschein ihn erhellte.
Reingelegt!, dachte ich noch.
Dann erwischte mich der Gegenstand auf dem Kopf und auch im Nacken. Er war nicht knochenhart, eigentlich recht weich, aber er reichte aus, um mich auf die Bretter zu schicken…
***
Der Druck um Claudias Körper nahm zu. Proportional dazu auch die Kälte. Erst jetzt kam ihr voll und ganz zu Bewusstsein, in welcher Gefahr sie sich befand. Das war nichts Normales mehr, sie steckte in Lebensgefahr, und ihren Großonkel musste sie einfach mit anderen Augen sehen.
Er war kein Kranker. Er lag auch nicht im Sterben. Er hatte sie reingelegt. Er war ein wahnsinnig gewordener Lustgreis.
Noch immer gab sie nicht auf und versuchte es mit einer Gegenbewegung. Sie wollte die Umklammerung lösen und nahm alle Kräfte zusammen.
Es ging nicht.
Die Arme schienen mit einer unnatürlichen Kraft gefüllt zu sein.
Das wusste auch der Lord, denn er begann zu kichern. Diese Laute waren für sie einfach schrecklich. Sie drangen aus einem Mund hervor, der weit offen stand. Sie konnte in diesen Rachen hineinschauen, und wieder schoss Ekel in ihr hoch. Durch den Kopfstoß war es ihr nicht gelungen, sich zu befreien, aber Claudia gab nicht auf. Sie wollte sich nicht in den Fängen dieses Greises befinden. Sie wollte freikommen. Sie wollte nicht zerdrückt werden, denn genau diese Kraft traute sie der Gestalt zu.
Es war nicht das einzige Problem, mit dem sie sich beschäftigte.
Hinzu kam noch etwas anderes, denn dieser Druck sorgte gleichzeitig dafür, dass ihr der Atem geraubt wurde. Jedes Luftholen glich mehr einer Verzweiflungstat, und das Gefühl, dass die Lungen irgendwann bersten konnten, verstärkte sich. Der Gedanke daran, ersticken zu müssen, war schrecklich.
Und so entschloss sie sich in ihrer Not zur einzigen Möglichkeit, die ihr
Weitere Kostenlose Bücher