1318 - Terror am Totenbett
Peter wollte auf keinen Fall in seiner Position bleiben. Mit einer schnellen Bewegung hob er den Kopf an, der nächste Ruck folgte, und schon saß er im Bett.
Er bewegte sich nicht. In diesem Augenblick glich er weniger einem Menschen als einer Figur, aber in ihr steckte Leben, denn schon drehte er den Kopf nach rechts.
Es sah sogar etwas lustig aus. Wie bei einem Holzkasper auf der Kinderbühne.
Lord Peter Wexley starrte seine Großnichte an!
Und sie schaute zurück!
Gern hätte sie den Kopf gesenkt. Es war ihr einfach nicht möglich. Dieses verdammte eine Auge in seinem Schädel verbannte sie zur Untätigkeit. Und so konnte sie in den folgenden Sekunden nichts tun.
Das Glasauge klemmte noch in der Höhle. Warum der Lord es jetzt hervorpflückte, wusste sie nicht. Er erklärte ihr den Grund auch nicht, sondern ließ sie in die Öffnung schauen. Und wieder glaubte sie daran, in einen sehr, sehr tiefen Schacht zu schauen, der erst dort endete, wo die Hölle anfing.
Es war grauenvoll. Mit einer sehr andächtigen Bewegung legte er das Glasauge neben sich. Jetzt gab es nur noch dieses eine, das gesunde, wobei sich die Frage stellte, ob es wirklich gesund war, denn daran konnte Claudia nicht glauben.
Auch in diesem Auge entdeckte sie eine Botschaft. In der Pupille tat sich etwas. Das rote Glosen konnte einfach nicht übersehen werden, doch dort gab es noch mehr zu lesen.
War es wirklich die Gestalt des Teufels, die sich in der Pupille zeigte?
Claudia rechnete jetzt mit allem. Die Frau glaubte plötzlich daran, dass das Gefüge der Welt zerrissen worden war. Hier kamen Dinge zum Vorschein, die lange unter einem Dach verschwunden gewesen waren, sich aber nun nicht mehr zurückhalten ließen.
Er gab nicht auf. Er gab sie nicht auf, denn der Greis begann damit, aus dem Bett zu steigen. Es waren nicht die flüssigen Bewegungen eines jungen Menschen, bei ihm lief alles eckig und zackig ab, als er seine Beine anzog und sie dann vorstreckte, sodass sie über die Bettkante hinwegschwebten.
Dann sanken sie nach unten.
Er trug einen dunklen Anzug, aber keine Socken. So sahen seine Füße mit der hellen dünnen Haut noch bleicher und knochiger aus.
Lange Zehen, die er knackend bewegte.
Claudia Anderson nahm dieses Geräusch als so endgültig auf. Sie dachte wieder an ihre Umarmung und auch daran, wie leicht ihre Knochen dabei hätten knacken können.
Es war zugleich der Ansporn für sie. Wenn sie an dieser Stelle sitzen blieb, war sie verloren. Dieser Teufel in Menschengestalt würde über sie herfallen und sie töten. Er wollte keinen Sex, keinen Kuss, er wollte sie tot sehen.
Die Gründe kannte sie nicht. Sie hatte ihm auch nichts getan und somit kein Motiv gegeben, aber es war ihr klar, dass sie nicht auf ihrem Platz bleiben durfte.
Die Flucht war die einzige Chance, um ihr Leben zu retten. Raus aus dem Horrorhaus und die Polizei alarmieren. Der Lord gehörte einfach hinter Gittern. Wenn möglich, für immer.
Er stand auf.
Alles lief bei ihm langsam ab, zugleich auch konsequent. Claudia wollte kein Opfer dieser Konsequenz werden, und deshalb musste sie schneller sein als ihr Großonkel.
Hoch, aufstehen!
Es war alles so simpel. Vor zwei Stunden vielleicht, aber nicht jetzt. Sie bekam Probleme. So leicht war es doch nicht. Schmerzen wühlten noch immer in ihrem Kopf. Auch der Druck der verdammten Arme hatte bei ihr Spuren hinterlassen. Die Knochen taten ihr weh. Das merkte sie besonders beim Einatmen. Sie schaffte es nicht mehr, normal durchzuatmen. Aber sie atmete noch, im Gegensatz zu Lord Peter.
Darüber wollte sie nicht nachdenken, weil es ihr Angst machte.
Doch sie konnte nicht anders. Immer wieder drängten sich die Gedanken hoch. Auch jetzt, da sie mehr mit sich selbst beschäftigt war.
Dann stand sie.
Wacklig und von einem leichten Schwindel erfasst. Aber sie hatte es geschafft.
Noch war das Spiel nicht vorbei. Sie musste schneller sein als der Greis. Normalerweise hätte sie nicht mal einen Gedanken daran verschwendet. Heute war alles anders geworden. Sie fühlte sich auch nicht mehr als Mensch, sie war einfach nur ein Wesen, das um sein Leben kämpfte.
An der rechten Seite befand sich das mit Büchern vollgestopfte Regal. Daran konnte sie sich entlangschieben. Es diente ihr als eine perfekte Stütze, sowohl für die Hand, als auch für ihre Schulter.
Dabei ging sie wie ein kleines Kind, Schritt für Schritt, mit verzerrtem Gesicht. Sie musste mit Gewalt die Tränen zurückhalten. Sie waren das
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