1327 - Das Geheimnis der Wissenden
stärken.
*
Das Schiff trug den schönen und bedeutungsschwangeren Namen ARDUSTAAR. Es war ein Fernraumer von jener Bauart, wie Vai-Sinh-H'ay es von ihren Reisen her bereits gewöhnt war. Aber es enthielt eine Reihe von Besonderheiten, was nur recht und billig war, denn schließlich war es das Schiff der Wissenden.
Die ARDUSTAAR hielt sich in einem sternenlosen Sektor am Rand der Galaxis auf. Dort stand das Schiff einsam vor dem Hintergrund weit entfernter Sternennebel. Es war schwer auszumachen, denn es schien über eine besondere Art von Schutzschirm zu verfügen.
Aber jetzt hatte es diesen Schirm gelüftet, und man konnte es sehen.
Viel zu sehen gab es allerdings nicht, nicht einmal für die äußerst empfindlichen Augen der Kartanin, denn das Licht der fernen Sterne reichte kaum aus, um ein paar schwache Reflexe auf der Hülle zu erzeugen. Nur auf dem Bildschirm war das Schiff deutlich zu bewundern.
Vai-Sinh-H'ay spürte die Nähe der anderen Wissenden, und sie schöpfte aus diesem Gefühl noch einmal zusätzliche Kräfte. Sie konnte es kaum erwarten, den anderen endlich gegenüberzutreten.
Jener arrogante Kartanin, der sie aus ihrem Haus geholt hatte, erschien und begleitete sie zu einer Schleuse. Er war schweigsam wie immer, aber Vai-Sinh-H'ay war nicht mehr geneigt, dies als Unhöflichkeit auszulegen. Sie folgte ihm und hing dabei ihren Gedanken nach.
Der Kartanin brachte sie mit einer Planetenfähre zur ARDUSTAAR hinüber. Er selbst verließ die Fähre nicht. Vielleicht war es ihm verboten, das Schiff der Wissenden zu betreten. Vai-Sinh-H'ay wußte es nicht, aber es interessierte sie auch nicht.
Nur eines war für sie von Bedeutung: Sie war endlich am Ziel.
Im Schiff der Wissenden war es still - jedenfalls für den, der nur mit seinen Ohren zu hören vermochte.
Für Vai-Sinh-H'ay war ein mentales Wispern in allen Gängen und selbst in den Wänden spürbar. Dieses Wispern erzählte von dem Geheimnis der Wissenden, von ihren uralten Traditionen und von ihrer großartigen Zukunft.
Vai-Sinh-H'ay war sehr stolz darauf, daß sie dazugehörte.
Sie spürte, wo der Mittelpunkt dieses Wisperns lag, und sie ging freudig darauf zu.
Die ARDUSTAAR schien keine Besatzung im üblichen Sinn zu haben. Ein paar Roboter waren unterwegs. Sonst waren die Gänge leer. Aber das bereitete der alten Kartanin keine Sorgen.
Im Mittelpunkt des Schiffes gab es eine große, runde Halle. Sie war das Zentrum der ARDUSTAAR - in jeder Beziehung. Von hier aus wurde das Schiff gesteuert und geführt, und hier verbrachten die Wissenden den größten Teil des Tages.
Es waren siebzehn, alle uralt wie Vai-Sinh-H'ay auch, alle von derselben, unheimlichen Kraft erfüllt, entschlossen, das Geheimnis für alle Zeiten zu wahren.
Und nicht nur das.
Wenn es nötig werden sollte, würden sie dieses Geheimnis mit sich in den Tod nehmen.
Vai-Sinh-H'ay erschrak im ersten Moment ein wenig, als sie diesen Gedanken in dem ständigen Wispern spürte, aber das dauerte wirklich nur einen Augenblick. Es war richtig so, stellte sie fest. Sie mußten alle Möglichkeiten berücksichtigen und sich darauf vorbereiten.
Die ARDUSTAAR war nicht wehrlos, aber sie war kein Kriegsschiff. Schlimmer noch: Auch die Kartanin - das Volk - durften nichts von der Existenz der Wissenden erfahren.
Das bedeutete; daß man im Fall des Falles keine Hilfe herbeirufen konnte.
Wenn die ARDUSTAAR angegriffen wurde, mußte sie sich entweder aus eigener Kraft ihrer metallenen Haut wehren, oder aber samt ihren Insassen untergehen. Keine der Wissenden durfte als Gefangene in die Hände eines Feindes geraten.
Feinde gab es genug. Selbst die Angehörigen des eigenen Volkes gehörten dazu.
Vai-Sinh-H'ay nahm diese Gedanken bereits in sich auf, während sie noch auf dem Weg zu den Wissenden war. Als sie die Halle betrat, war der Gedanke an kollektiven Selbstmord bereits fester Bestandteil ihrer neuen Überzeugungen.
Es gab keine besondere Begrüßung für Vai-Sinh-H'ay.
Als sie die Halle betrat, sahen nur wenige Wissende kurz auf und betrachteten das neue Mitglied ihrer exklusiven Runde. Dann wandten sie sich wieder ihrer eigentlichen Beschäftigung zu.
Vai-Sinh wunderte sich nicht über dieses Verhalten. Sie hielt die Wissenden auch keineswegs für unhöflich. Dies alles war so selbstverständlich und einfach, daß sie sich völlig nahtlos in den Kreis der anderen einfügte.
Es war, als hätte sie schon immer dazugehört, als wäre sie nur für kurze Zeit abwesend
Weitere Kostenlose Bücher